Feinde der Zeit: Roman (German Edition)
sie sich nicht bewegen konnte. »Sag mir, was mit Adam passiert ist. Und wann. Wann ist es passiert?«
Sie stieß mit dem Ellbogen nach mir und versuchte mich über ihre Schulter zu werfen, doch der Größenunterschied war zu groß; sie hatte gegen mich keine Chance. »Sag mir das Datum!«
»Hör auf, so zu tun, als wüsstest du es nicht!« Ihre Nägel gruben sich in meinen Arm, und jeder Muskel ihres Körpers kämpfte gegen mich an. »Ich war bereit, dich in Schutz zu nehmen. Dabei hast du sogar Sachen von ihm. Seine CD.«
Ich war so wütend, dass ich mich fast nicht mehr beherrschen konnte. Sie hatte Informationen, die ich unbedingt brauchte. Ich drückte ihr die Pistole in den Rücken, und sie schnappte laut nach Luft. »Holly!«
»Neunzehnter Mai.«
»Welche Uhrzeit?«, fragte ich barsch.
»Nachmittag. Drei, nein vier Uhr.« Ihr Körper entspannte sich, und Tränen fielen auf meinen Arm. »Ich hätte einen von den anderen Agenten mitbringen sollen und … Oh, verdammt!«
Agenten? O nein! Nein, das durfte nicht sein. »Was für Agenten? Weiß die Polizei, dass du hier bist?«
Sie lachte auf, doch ich spürte, dass sie zitterte. »Die Polizei? Ist das dein Ernst? Warum erzählst du mir nicht, für wen du arbeitest, dann erzähle ich dir auch, für wen ich arbeite.«
Mir blieb die Luft weg. Was zur Hölle ging hier vor? Adam ist tot und Holly eine Art Geheimagentin? »Also war diese ganze Geschichte mit der Wette auf dem Ball von Senator Healy gelogen, und du wolltest mich bloß ausspionieren?«
»Als hättest du nicht dasselbe mit mir vorgehabt«, giftete sie mich an. Dann hob sie den Kopf und sah mich zum ersten Mal, seit ich ihr die Waffe abgenommen hatte, direkt an. »Du wirst mich umbringen, stimmt’s?«
Ihre Augen, ihre Stimme und dann diese Worte. Der Agent in mir löste sich in Sekundenschnelle in Luft auf. Die Wut war plötzlich verflogen und hinterließ mehr Klarheit, als mir in diesem Moment recht war. Ich ließ sie sofort los und wich zurück. Meine Knie zitterten. Dad hat sie doch bewachen lassen. Sie alle beide, Holly und Adam. Er hätte mir doch erzählt, wenn irgendwas passiert wäre. Es sein denn … Hatte Emily nicht gesagt, dass die Dinge sich ständig veränderten? »Wie ist das passiert?«
»Du hast einen meiner besten Freunde umgebracht.« Sie warf mir einen flehenden Blick zu. »So läuft das doch, nicht wahr? Niemand wird geschnappt, und du kommst einfach so davon.«
»Ich weiß es nicht«, stammelte ich und versuchte mir einen Reim auf diese verrückte Wendung zu machen. So etwas stand in keinem Lehrbuch. Es gab kein Protokoll, das ich befolgen konnte.
Sie holte tief Luft und schloss ihre Augen. Noch mehr Tränen liefen über ihre Wange. »Kann ich bitte meine Mutter anrufen? Ich muss ihre Stimme hören. Nur ganz kurz.«
Ich fühlte mich, als würde mir jemand das Herz aus der Brust reißen, so weh tat mir, was sie da sagte. Sie denkt, dass ich sie umbringen will. Wie konnte das passieren? Wer würde Holly ins FBI oder in die CIA stecken oder welche Organisation ihr auch immer eine Waffe und einen Auftrag gegeben hatte?
Der Boden knarrte unter meinen Füßen, als ich wieder näher an sie heranging. Sie hielt den Atem an und kniff ihre Augen noch fester zu.
Ich nahm ihre Hand, drehte die Handfläche nach oben und legte vorsichtig ihre Pistole darauf. Dann flüsterte ich: »Ich würde dir nie weh tun, Holly. Niemals. Geh einfach. Es ist okay.«
Sie riss die Augen und starrte mich an. Dann schloss sich ihre Hand um die Waffe und schubste mich aus dem Weg. Diese Geste kam nicht gerade überraschend für mich, aber ich ließ mich ihr zuliebe fallen und blieb auf dem Boden sitzen, während sie, die Waffe wieder auf mich gerichtet, langsam zur Wohnungstür zurückwich. Ich sah die Verwirrung und die Erleichterung, die in ihrem Blick lagen, dann verdeckte der Schmerz alles andere. »Er war wirklich ein toller Mensch. Ich kann nicht glauben, dass du das getan hast.«
»Ich weiß«, sagte ich und unterdrückte meine eigenen Tränen. »Ich weiß, dass er das war.«
Dann ließ ich das Gesicht in meine Hände sinken und sah nicht mal mehr, wie sie ging. Ich hörte nur, wie die Tür sich leise schloss. Der erste Gedanke, der mir kam, war: Ich kann sie nicht zurückbekommen. Nicht das Mädchen, das ich in der Zukunft geliebt habe. Diese Zeitleisten waren verschwunden und ließen mich mit einer Version von Holly zurück, deren Leben einige schlimme Wendungen genommen hatte. Irgendjemand
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