Feinde der Zeit: Roman (German Edition)
Zukunft in finsteren Gassen auflauern, kannst du denen ja vielleicht was von mir ausrichten: Ich bin hier zu Hause, und ich habe keinerlei Informationen über Ereignisse in der Zukunft. Nichts.«
»Das hier ist jetzt dein Zuhause«, hakte ich nach, nur um sicherzugehen. »Du möchtest lieber hierbleiben, als dahin zurückzugehen, wo du früher warst?«
Er reckte die Hände gen Himmel. »Hört das denn nie auf, verflucht nochmal? Ich lebe hier und nirgends sonst.« Er sprach jedes Wort überdeutlich aus. »Ich kann dir jetzt sofort das Haus meiner Mutter zeigen. Vorher hat es ihrer Mutter gehört. Wir haben Belege dafür. Das hier ist der Parka von meinem Vater. Er ist im Zweiten Weltkrieg gefallen. Mein kleiner Bruder Gabe ist gerade zu Hause. Du kannst unsere Blutgruppe testen, zum Beweis, dass wir Brüder sind. Was auch immer nötig ist, damit das hier aufhört.«
Oh. Mein. Gott. Er hat es gesagt, im Jahr 1992, zu Eileen. Aber ich hab’s nicht begriffen, hab die Bedeutung nicht verstanden.
»Wenn ich hier liege und die Augen zumache, fühlt es sich beinahe so an, als … als könnte ich überall sein.«
Überall? Zum Beispiel auch vierzig Jahre in der Vergangenheit?
Mein Herz hatte noch nie so schnell geschlagen. »Dann wurdest du also wann geboren, im Jahr –?«
»1934.«
Ich musste mich abstützen und knallte mit dem Rücken gegen die Wand hinter mir. Er war weder von einem EOT noch von einem anderen Zeitreisenden hierhergebracht worden. Er war in die Zukunft verschleppt worden! Wahrscheinlich in die 90er Jahre. Ich rang nach Luft. Er hatte keine überlebenden Familienmitglieder, niemanden. Er hatte ein geheimes Zimmer mit all den Dingen, die ihn an das erinnerten, was er zurückgelassen hatte. Frank Sinatra, Plattenspieler, alte Bücher.
Er gehörte hierhin. In dieses Jahr. »Verdammt. Wie um alles in der Welt … Ich wollte nur –«
»Heißt das, du glaubst mir?«, fragte Dad.
»Bist du … bist du denn schon bei der CIA? Gibt es die CIA 1952 überhaupt schon?«, platzte ich heraus.
Er sah sich um, ob Leute in der Nähe waren. »Ich bin noch in der Ausbildung. Und ich weiß nicht, woher du diese Information hast, aber ich schwöre: Wenn das rauskommt, kriege ich dich.«
Ich sah ihn an. Endlich atmete ich wieder normal. »Das heißt, du hast diesen Job schon gemacht, bevor irgendwas passiert ist. Das erklärt, warum Melvin gesagt hat, du wärst aus eigenem Antrieb dazugekommen.«
Er runzelte die Stirn. »Ich bin in der Geheimdienst- und Spionageausbildung, seit ich zwölf war. Ein kleines Internat in Washington, die Dunston Academy. Schon mal gehört?« Ich schüttelte den Kopf, und er fuhr, offenbar stolz darauf, mir eine Information vorauszuhaben, fort: »Wir werden im ganzen Land aus den Grundschulen handverlesen. Natürlich ist der Ruf als prestigeträchtige Privatschule nur Tarnung. Wir erledigen ab dem zweiten Jahr kleinere Aufträge außerhalb der Schule, und bis zum Abschluss haben alle von uns internationale Missionen und Kurse auf College-Niveau absolviert. Fließende Kenntnisse in acht Fremdsprachen innerhalb von sechs Jahren. Mein Vater war auch auf der Dunston. Bis zwei Jahre nach seinem Tod habe ich nicht gewusst, was er beruflich gemacht hat und was es mit dieser Schule auf sich hatte. Bis ich selbst angenommen wurde und in sein ehemaliges Zimmer eingezogen bin. Na ja, ich und Melvin, um genau zu sein.«
Ich starrte ihn verblüfft an: Mein Dad; er war vielleicht ein paar Monate jünger als ich jetzt und trotzdem mehr als beeindruckend. Ein echter Geheimagent, und sein Vater vor ihm. »Moment mal, dein Vater ist also gestorben, als du noch ein Kind warst?«
»Ich war zehn. Er ist in Frankreich im Kampf gegen Hitler gefallen. Jedenfalls hat man mir das gesagt«, antwortete er bitter. Er hatte sich neben mir an die Wand gelehnt.
»Tut mir leid. Aber du hast einen Bruder?«
»Gabe, er ist vier Jahre jünger als ich.« Er nahm eine Zigarettenschachtel aus der Brusttasche seines Hemdes und bot mir eine an. Ich schüttelte den Kopf und sah zu, wie er Streichhölzer aus Bill’s Tavern hervorholte, sich eine Zigarette anzündete und einen tiefen Zug nahm. Ich hatte Dad nie zuvor rauchen sehen.
»Wer waren denn diese anderen Typen? Die, die dich vor mir besucht haben?«
Er schnippte Asche auf den Boden und hielt den Blick fest auf das gegenüberliegende Gebäude gerichtet. »Ein Mann, der dir ein bisschen ähnlich sah, ein süßes rothaariges Mädchen …«
»Blaue oder grüne
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