Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Feinde der Zeit: Roman (German Edition)

Feinde der Zeit: Roman (German Edition)

Titel: Feinde der Zeit: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Cross
Vom Netzwerk:
und zu erfahren – wieso war ich nicht schon längst mal auf diese Idee gekommen? Bill’s Tavern zu finden war eine Frage von Minuten, aber reinzugehen war eine andere Geschichte. Da dies nur ein Halbsprung war, konnte ich nichts verändern und niemandem wirklich schaden. Also brauchte ich auch kein schlechtes Gewissen zu haben, als ich einem alten Mann die Jacke klaute, die er auf einem Picknicktisch ablegte, um sich die Schuhe zu binden.
    Dank des Halbsprungs fühlte sich die kühle Luft für mich nicht kalt an, aber mein sehr modernes T-Shirt verhalf mir nicht gerade zu großer Unauffälligkeit. Ich zog den Reißverschluss der Jacke bis zum Hals zu und versuchte, die Schuhe, so gut es ging, unter meiner Jeans zu verbergen. Der Rest von mir war wohl ganz in Ordnung für 1952.
    Aber kaum, dass ich den dunkelhaarigen Mann aus Bill’s Tavern kommen sah, kümmerte es mich nicht mehr, ob ich auffiel. Ich wollte Antworten. Und zwar sofort.
    Direkt vor mir ging mein Dad über den Gehsteig. Eine sehr junge Version von ihm. So jung hatte ich ihn im richtigen Leben nie gesehen.
    Ich musste mich anstrengen, um mit seinen entschlossenen Schritten mitzuhalten, und trat dabei so leise auf, wie ich nur konnte. Er wusste genau, wo er hinwollte. Er war kein verirrter Zeitreisender. Oder doch? Er trug eine khakifarbene Anzughose, schwarze Lederschuhe und einen alten blauen Parka. Seine Haare waren sauber gescheitelt.
    Nach drei Blocks bog er in eine Gasse ab, die zwischen zwei Häusern hindurchführte. Dort verlangsamte er seine Schritte ein wenig, drehte sich dann ruckartig um und zielte mit einer Waffe auf mich. »Hände hoch!«
    Ich streckte die Hände schnell in die Luft; sein Gesicht aus so großer Nähe zu sehen, brachte mich fast aus der Fassung. »Warte …«
    »Warum folgst du mir?«, fragte er und kam zwei Schritte näher.
    Als er mich genauer in Augenschein nahm, verriet ein leichtes Zittern in seiner Stimme, dass er überrascht war. »Wer zum Teufel bist du?«
    Er steckte die Waffe wieder weg.
    »Ähm … Jackson.«
    Auf Dads Gesicht zeichnete sich eine leichte Panik ab. »Entschuldige, aber du solltest dich nicht so an Leute heranschleichen.« Er klopfte mit der Hand hinten auf seine Hose, wo er die Waffe versteckt gehabt hatte. »Die ist nicht mal geladen, also ruf nicht gleich die Bullen.«
    »Äh, nein, werd ich nicht.« Was auch immer das zu bedeuten hat.
    »Wenn du meinen Job hättest, würdest du dich genauso verhalten. Der Ausdruck ›Bestrafe nicht den Überbringer der schlechten Botschaft‹ scheint nicht allzu weit verbreitet zu sein. Ich hab jeden Tag mit Leuten zu tun, die durchdrehen. Da kann ich nicht einfach wehrlos dastehen.«
    »Du bist Kevin, oder?«, krächzte ich. »Kevin Meyer?«
    Er musterte mich. »Kennen wir uns?«
    »Äh, ja, möglicherweise«, sagte ich. Dann fiel mir ein, dass das ohnehin alles ohne Bedeutung war. Das hier ist ein Halbsprung. Ich musste bloß herausfinden, wie er hierhergekommen war. »Ja, ich glaube, ich kenne dich … wir sind uns nur noch nicht begegnet.«
    Stöhnend schlug er sich die Hände vors Gesicht. »O Gott, jetzt geht das schon wieder los! Und wo zum Teufel ist Melvin, wenn so ein Mist passiert?«
    »Dr. Melvin?«, fragte ich.
    Dad lachte. Er wirkte erheblich verstörter und verängstigter als ich. »Als Doktor würde ich ihn nicht gerade bezeichnen. Dazu müsste er Medizin studiert haben. Aber da er erst siebzehn ist …«
    Es konnte also der Dr. Melvin sein, das kam ungefähr hin. »Erforscht er dich oder hilft dir beim Zeitreisen? Aus welchem Jahr bist du hierhergekommen?«, fragte ich.
    Er starrte mich lange schweigend an, dann fragte er knapp über Flüsterlautstärke: »Ist das der Grund, weshalb die mir ständig über den Weg laufen, solche Leute wie du? Glauben sie, dass ich nicht hier hingehöre? Oder dass ich mich verstecke, wie Superman oder so?«
    »Versteckst du … deine Fähigkeiten?«
    »Nein«, gab er entschieden zurück. »Ich kann nicht durch die Zeit reisen.«
    Aus irgendeinem Grund glaubte ich ihm. »Dann bist du entführt worden. Einer von denen hat dich hierher verschleppt und –«
    »Von denen? Warum nicht du oder deine Leute?«, fragte er.
    Ganz klar eine Verhörfrage. Ist er geschult worden? »Wir arbeiten nicht alle auf derselben Seite. Jedenfalls ist das mein Eindruck.«
    »Ich bin aber nirgendwohin verschleppt worden«, sagte er in einem defensiven Tonfall. »Wenn das der Grund ist, weshalb mir ständig irgendwelche Kerle aus der

Weitere Kostenlose Bücher