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Feinde der Zeit: Roman (German Edition)

Feinde der Zeit: Roman (German Edition)

Titel: Feinde der Zeit: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Cross
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als Betrug einstufen konnte. Was ich empfand, war schlimmer als Schuldgefühle: Ich fühlte mich vollkommen leer.
    Vielleicht fühlten sich die Feinde der Zeit ja genau so? Aber womöglich war der logisch denkende Teil ihres Gehirns auch noch dominanter, und sie brauchten sich um so irrationale Dinge wie Liebe oder Rache keine Gedanken zu machen. Hatte Dr. Melvin mir nicht so was erzählt?
    Ich hörte, wie am anderen Ende des Flurs, in Stewarts Zimmer, die Dusche ausgestellt wurde, und stand auf, um mein Hemd von ihrem Fußboden aufzuheben. Die Badezimmertür war einen Spalt offen, und ich konnte hineinsehen. Stewart stand, der Tür zugewandt und lediglich mit einem Handtuch bedeckt, unbeweglich da. Beinahe hätte ich mich reflexartig umgedreht und sie allein gelassen, damit sie sich anziehen konnte, doch sie rührte sich nicht. Sie starrte einfach nur ins Leere. Und ich sah sofort, dass irgendetwas nicht stimmte.
    Ich behielt sie genau im Auge, während ich auf die Tür zuging, dann öffnete ich die Tür ganz und trat ein. »Stewart?«, sagte ich und schnippte mit den Fingern vor ihrem Gesicht.
    Sie schüttelte den Kopf und sah mich schließlich an. »Wie, was?«
    »Alles in Ordnung mit dir?«
    »Äh, ja, alles gut. Ich … mir ist nur gerade etwas eingefallen«, murmelte sie immer noch halb in Trance.
    Lediglich an ihrem vollkommen ruhigen Tonfall war zu erkennen, dass sie nicht ganz bei sich war; in ihrer Stimme lag so gar nichts von ihrer üblichen Aggressivität. »Was ist dir eingefallen?«
    Sie ging um mich herum ins Schlafzimmer und zog eine Schublade auf. »Ich glaube, du hast es schon vor langer Zeit herausgefunden – das mit deinem Dad und der CIA«, sagte sie.
    Mir schlug das Herz bis zum Hals, doch ich zwang mich zur Ruhe. »Ich hab’s vor ein paar Monaten rausgefunden. Das weißt du doch.«
    Sie schüttelte sofort den Kopf. Ich wandte ihr den Rücken zu, während sie sich anzog, was mir die Gelegenheit gab, mich zu sammeln, bevor sie meine an Panik grenzende Reaktion bemerken konnte. »Ich krieg es nicht ganz zu fassen, noch nicht. Aber ich hab irgendwie das Gefühl, dass du es wusstest und ich wusste, dass du es wusstest … und danach ist alles schwarz.«
    Ich wappnete mich für den Test mit dem menschlichen Lügendetektor, dem sie mich jetzt wahrscheinlich unterziehen würde. Aber wovon zum Teufel sprach sie eigentlich? Vielleicht hatte Kendrick ja recht, und sie war, was ihren mentalen Zustand anging, etwas labil. Vor allem jetzt, wo ich erfahren hatte, was sie vor der CIA gemacht hatte, erschien mir das möglich.
    »Ich weiß nicht, was du meinst«, sagte ich in dem Versuch, Zeit zu schinden, bis ich mich vollständig beruhigt hatte.
    Ihr Kopf tauchte unter dem Shirt auf, dass sie sich gerade übergezogen hatte. »Kapierst du denn nicht? Sie haben uns mit irgendwas behandelt. Sie haben uns eine Substanz gegeben, die die Erinnerungen modifiziert!«
    Gut, vielleicht bezichtigt sie mich ja gar nicht der Lüge.
    Aber hatte sie vielleicht gerade so etwas wie einen paranoiden Schub? Eins wusste ich ganz genau: Ich würde auf keinen Fall derjenige sein, der ihr sagte, dass sie vielleicht verrückt war. Ich meine, richtig verrückt. Irgendwie klar, dass Chief Marshall ausgerechnet eine Durchgeknallte aus dem Gefängnis geholt hatte.
    Und irgendwie auch klar, dass ich ausgerechnet mit dieser Durchgeknallten beinahe das Bett geteilt hatte.
    »Ich hätte nie gedacht, dass dein Dad einem von uns so was antun würde«, sagte sie.
    Am liebsten wäre ich sofort aus der Tür gerannt, aber ich konnte sie schlecht in diesem Zustand allein lassen. »Vielleicht befragst du ihn mal dazu, wenn er zurück ist?«
    Sie schaute mich an, holte tief Luft und nickte. »Ja, das ist wahrscheinlich das Beste. Ich muss los. Ich muss Mason irgendwo treffen.«
    Ich seufzte vor Erleichterung. »Ja, ich auch. Ich muss auch los.«
    Sie schlüpfte in ihre Schuhe und eilte durch den Flur zur Tür. Kurz bevor sie dort ankam, warf sie mir noch einen Blick über die Schulter zu. »Und hör auf, dich so seltsam zu benehmen, Junior. Ich hab dir doch gesagt, dass ich das nicht so hoch hänge. Ich hab jetzt schon vergessen, was letzte Nacht eigentlich war.«
    Ich blies die Luft aus. »Gut. Du bist also nicht sauer?«
    Vor Holly hatte ich diese Frage häufiger irgendwelchen Mädchen gestellt, und sie hatten immer gesagt, es wäre alles in Ordnung. Aber dann hatten ihre Freundinnen auf mir rumgehackt, weil ich mich nach der einen Nacht nie

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