Feinde der Zeit: Roman (German Edition)
sehen werden.«
»Sagen Sie das nur, damit ich nicht komplett ausraste?«
»Nein, das hätte ich dir so oder so gesagt.« Er schüttelte leicht den Kopf.
Wenn es je einen guten Zeitpunkt gegeben hatte, Dr. Melvin einige der Fragen zu stellen, dich mich seit Heidelberg beschäftigten, dann war er jetzt gekommen. Ich sprang vom Untersuchungstisch und kramte auf seinem Schreibtisch nach einem Blatt Papier und einem Stift.
Dann malte ich das Zeitleisten-Diagramm auf, das ich in mein Tagebuch gezeichnet hatte.
Dr. Melvin rollte mit dem Stuhl zu mir hin und beobachtete mich dabei. »Welt A und Welt B?«
»Das sind bloß die Namen für die unterschiedlichen Zeitleisten, in denen ich war.«
Er lachte leise. »Das erinnert mich an dieses Spiel, das du und Courtney früher andauernd gespielt habt. Wie hieß das noch gleich?« Er bewegte seine Daumen, als spielte er auf einem Gameboy.
»Super Mario Brothers.« Ich schob ihm das Blatt hin. »Okay. Wenn ich also Welt A verlassen und Welt B erschaffen habe und danach wieder in Welt A zurückgekehrt bin, dabei aber nicht wieder genau am selben Tag wie bei der Abreise gelandet bin, sondern ein paar Monate vorher, vor dem 30. Oktober 2009, dann habe ich die Zukunft verändert, hab ich recht?«
Er nickte langsam. »Ja, richtig. Selbst die kleinste Verschiebung im Datum, wenn du nur einen Tag früher wieder in Welt A landest, würde die Zukunft für immer verändern.«
Ich zog den zweiten Stuhl heran und sank darauf nieder. Allmählich setzte sich in meinem Kopf alles zusammen. Thomas-Sprünge sind nicht die einzige Möglichkeit, den Lauf der Dinge zu verändern. Dieser EOT in Heidelberg hatte nicht gelogen. »Sagen wir, rein hypothetisch, ich würde mich in genau diesem Moment entschließen, zurück in Welt B zu springen, vielleicht zum Oktober 2007, und dann sofort hierher zurückkehren …«
»In Welt C«, sagte Dr. Melvin in Anspielung auf meine Skizze.
»Nur, dass ich nicht hier und jetzt lande, sondern zwei Stunden vorher und anstatt in Ihr Büro zu kommen, entscheide ich mich dafür –«, ich hielt kurz inne. »Keine Ahnung – zu Starbucks zu gehen. Dann hätte dieses Gespräch nie stattgefunden, und ich hätte die Zukunft verändert, richtig? Das unterscheidet sich nicht so sehr von einem Thomas-Sprung.«
Er sah müde aus, und das machte es für mich noch wichtiger, ihn zu weiteren Antworten zu drängen. »Jackson –«
»Und wenn ich dann an den Punkt zurückwollte, wo ich abgesprungen bin, würde ich für ein paar Sekunden zurück in Welt B springen und dann wieder in Welt C, allerdings zwei Stunden weiter in die Zukunft, dann wäre es exakt diese Sekunde …«
»Kannst du aber nicht«, sagte er entschieden.
»Das war ja auch nur rein hypothetisch. Ich weiß, dass Marshall gesagt hat, ich soll nicht …«
»Nein, ich meine, du kannst es auch nicht.« Er nahm mir den Stift aus der Hand, drehte das Blatt um und malte sein eigenes Diagramm darauf. »Gehen wir mal zurück zu dem, was du tatsächlich gemacht hast. Du hast Welt A verlassen und bist in Welt B gesprungen und dann in Welt A zurückgekehrt, aber nicht am 30. Oktober 2009 gelandet, sondern am 13. August. Wenn du, aus einer anderen Zeitleiste kommend, einmal diese Marke gesetzt hast, kannst du nur auf diesem einen Weg weiter vorwärtsgehen, ganz egal, wie oft du von Welt B abspringst. Der 13. August wird für dich die Gegenwart sein. Ich glaube, du bezeichnest es als deine Homebase?«
Ich seufzte und sank tiefer in den Stuhl. »Ich muss es durchleben, bleiben. Der September und der Oktober würden zwar anders sein als beim ersten Mal, aber die Veränderung vollzieht sich nicht sofort.«
»Richtig.«
»Funktionieren Thomas-Sprünge auch so? Supersprünge, meine ich?«
»Richtig. Stell sie dir wie Halbsprünge vor. Du kehrst fast im selben Moment zurück, in dem du abgesprungen bist. Aber bei Halbsprüngen sind natürlich keine Veränderungen möglich.«
»Moment. Wie hat Thomas mich denn dann mitgenommen in …« Ich unterbrach mich abrupt, als mir klar wurde, dass ich ihm soeben von meinem Sprung in diese gruselig perfekte Zukunft mit Thomas erzählte. Davon hatte ich niemandem etwas erzählt. Nicht einmal Dad, denn das hätte bedeutet, dass ich ihm von Emily hätte erzählen müssen, und das durfte ich nicht.
Dr. Melvin zog die Augenbrauen hoch. »Wohin hat er dich mitgenommen? Wann ist Thomas mit dir zusammen gesprungen, Jackson?«
Mein Herz raste. »Vorher … in der letzten Zeitleiste, die
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