Feinde der Zeit: Roman (German Edition)
ich verlassen habe. Welt A. Das lag sehr weit in der Zukunft. Glaube ich jedenfalls.« Plötzlich kam mir eine andere Antwort in den Sinn, die mich fast umhaute. »Wenn er aus diesem Jahr kam, wenn er darin lebte, dann konnte er das tun, nicht wahr?«
»Richtig.« Dr. Melvin verhielt sich absolut still. Er wartete darauf, dass ich meine Schlussfolgerung laut zog. Ich war fast sicher, dass es das war, was Kendrick in ihrem Spezialgebiet die ganze Zeit untersuchte. Wie es aussah, wurde der Begriff Biologische Neuentwicklungen bei Tempest sehr weit gefasst. »Die Feinde der Zeit sind also aus der Zukunft? Und Marshall hat mich angelogen, als er mir in Welt B, im Jahr 2007, erzählt hat, das Tempus-Gen hätte sich im Laufe der Zeit auf natürlichem Weg entwickelt und könnte durch die Geschichte verfolgt werden? Oder welchen Mist er auch immer an diesem Tag verzapft hat?«
»Er hat nicht gelogen. Das Tempus-Gen entwickelt sich tatsächlich im Laufe der Zeit weiter. Das alles hat nur noch nicht begonnen. Und für jemanden wie Thomas kann man das Tempus-Gen durch die Geschichte verfolgen. Seine Geschichte ist deine Zukunft.«
»Also sind die EOTs da oben.« Aus irgendeinem Grund hatte ich mir die Zukunft immer als etwas vorgestellt, das über mir lag. »Sie können teleportieren, nehmen Vitamine ein und haben Kleinkinder, die wie Mini-Superhelden herumklettern, und überlegen sich, dass es doch lustig sein könnte, durch die Zeit zu reisen und … die deutsche Kanzlerin zu töten oder jemanden, der ebenso wichtig ist, damit sie zweihundert Jahre von unserer Gegenwart entfernt auf legalem Weg Klone oder Superbabys herstellen können?«
Ich war mir vollkommen bewusst, wie lächerlich meine Beispiele waren, aber diese vereinfachte Art der Darstellung für mich selbst hatte mich überhaupt erst auf diese Antworten gebracht. Und die Zeitspanne von zweihundert Jahren? Das hatte ich nur geraten, und ich war mir ganz ehrlich nicht mal sicher, ob dieser ganze verrückte Zukunftskram, den Thomas mir gezeigt hatte, in nur zweihundert Jahren überhaupt schon möglich war.
»Ganz so einfach ist es nicht –«
»Und das ist auch der Grund, warum Sie mir keine einfache Antwort geben konnten. Die andere Version von Ihnen. Als ich gefragt habe, ob jemand etwas tun wird, um Dr. Ludwig davon abzuhalten, Klone herzustellen. Er ist wahrscheinlich noch nicht mal geboren. Und wird es auch in absehbarer Zeit nicht. Soviel ich weiß, könnte ich sein Ur-Ur-Urgroßvater sein.«
Ich wusste nicht, wieso, aber irgendwie fand ich diese Enthüllungen über Feinde aus der sehr weit entfernten Zukunft beruhigend. Sicher, sie ließen die Welt sehr viel größer erscheinen, aber dieses ganze verrückte Zeug, wie das Zeitreisen und das Klonen, war eigentlich kein natürlicher Teil meiner Welt oder sollte es zumindest nicht sein. Ich konnte es mir als etwas vorstellen und es als etwas akzeptieren, das sich ungefähr zur gleichen Zeit ereignen würde, wie Autos anfangen würden zu fliegen und ohne Fahrer zu fahren.
»Jackson!«
Ich zwang ich mich dazu, mich nach dieser spontanen Abschweifung wieder auf Dr. Melvin und sein Büro zu konzentrieren. Seine Hände lagen auf meinen Schultern, und er schüttelte mich sanft.
»Jackson? Wir testen Agenten. CIA. FBI. Wir führen eine ganze Reihe von Tests an ihnen durch, um zu sehen, wer diese Informationen mental verkraften kann. Das Wissen über die Zukunft, die vor uns liegt.« Dr. Melvin ließ seine Hände sinken, hielt mich aber weiter kritisch im Auge; vielleicht suchte er nach ersten Anzeichen von Wahnsinn. »Jeder Tempest-Agent kommt natürlich damit klar, sich theoretisch klarzumachen, was Zeitreisen sind und wie sie funktionieren. Aber nicht jeder kann effektiv und gut arbeiten, wenn er zu viele Details kennt. Du bist einer von diesen.«
Ich lachte, obwohl das nicht wirklich lustig war. »Ich kann ja sogar aktiv durch die Zeit reisen. Da ist es ja auch nicht weiter verwunderlich, dass ich mit diesem Kram klarkomme.«
Er schüttelte sofort den Kopf. »Es geht dabei nicht nur um geistige Gesundheit. Wir brauchen Personen, von denen wir sicher sein können, dass sie nicht zu impulsiv reagieren oder allzu machthungrig werden, wenn sie wissen, was vor uns liegt. Du solltest nichts von all dem wissen, Jackson.« Er rieb sich die Schläfen und schloss kurz die Augen. »Ich weiß nicht recht, was ich deinem Vater oder Marshall sagen soll. Wenn es nach den Vorschriften ginge, müsste ich Healy und Freeman
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