Feinde kann man sich nicht aussuchen
sie uns miteinander bekanntmachte. Russ Zola, so erklärte sie, sei Suits
Organisationsstratege und »schon ewig« bei ihm.
Zola drehte den Stuhl herum und setzte
sich rittlings darauf, die Unterarme auf die Lehne gestützt. Brillantbesetzte
Manschettenknöpfe blitzten an den Manschetten seines weißen Hemds, und an
seiner rechten Hand schimmerte ein brillantgefaßter Onyxring. »Was willst du
damit sagen, Carole?« fragte er leichthin. »Daß ich steinalt bin?«
Carole Lattimer schwieg.
Ich fragte: »Was genau macht ein
Organisationsstratege?«
»Ich sehe mir die gesamte
Betriebsstruktur an und entscheide, wo etwas geändert werden kann, um die Effizienz
zu steigern. Ich mache Vorschläge, helfe dabei, sie umzusetzen, kontrolliere,
was dabei herauskommt, und modifiziere sie weiter.«
»Kurzum«, sagte Carole Lattimer, »Russ
ist T. J.s Vollstrecker.«
»Vielen Dank, Carole. Eine etwas
drastische Jobbeschreibung.« Er lächelte mich an und wechselte das Thema. »Sie
sind also die Privatdetektivin, die T. J. vor diesem angeblichen Attentäter
retten soll.«
»Russ.« In Carole Lattimers Stimme lag
etwas Warnendes.
»Was? Sollen wir so tun, als wüßten wir
nicht, warum sie hier ist?«
»Ich glaube, das ist eine vertrauliche
Angelegenheit zwischen T. J. und Miss McCone.« Ihr Ton war jetzt betont
frostig. »Wir sprachen gerade darüber, weshalb T. J. als Sanierungs-Experte so
einmalig ist. Wir sprachen von seiner Vielseitigkeit und, wie Sie ja gehört
haben, von seiner Visionsgabe. Da Sie schon so lange bei ihm sind, haben Sie
dem sicher noch mehr hinzuzufügen.«
Zola verdrehte die Augen, sichtlich
belustigt ob ihres steifen Gehabes. Das Thema, auf das sie das Gespräch wieder
zurückzulenken versuchte, schien ihn jedoch zu interessieren; er überlegte
einen Moment, ehe er weitersprach. »Das Tempo, in dem T. J. seine Turnarounds
durchzieht, ist schon verdammt beeindruckend. Der Durchschnitts-Profi schafft
vier oder fünf in seinem ganzen Leben. T. J. ist jetzt etwa vierzehn Jahre in
der Branche, und er hat schon ein halbes Dutzend hinter sich.«
Ich fragte: »Und Sie waren bei allen
dabei?«
»Bei allen außer dem ersten.«
»Wie schafft er es so schnell?«
»Planung. Er recherchiert gründlich und
geht mit einem festen Plan an die Sache heran. Und er treibt alle gnadenlos an,
auch sich selbst und uns, die wir zu seinem Team gehören. Er springt brutal mit
den wenigen Angestellten um, die das Blutbad überlebt haben. Er ist ein Genie
darin, den Banken und Gläubigern Zugeständnisse abzupressen, und er ist noch
besser, wenn es darum geht, seinen Investoren Geld aus der Nase zu ziehen.
Ehrlich gesagt, ich habe noch nichts davon gemerkt, daß er jemals schläft.«
Zola hielt wieder inne,
Nachdenklichkeit in den dunklen Augen. »Natürlich hat das alles auch seine
Schattenseite. T. J. werden die Sachen leicht langweilig. Sobald er einen
Betrieb stabilisiert hat, juckt es ihn, ins Visions-Stadium einzutreten. Und
wenn die Vision anfängt, Realität zu werden, sichtet er schon die nächsten
Angebote.«
»Er führt die Dinge nicht wirklich zu
Ende?«
»Manchmal. Keystone Steel ist ein gutes
Beispiel — die Firma, die wir vor sieben, acht Jahren saniert haben. Ein
Riesenwerk im Südwesten von Pennsylvania, am Rand des Appalachengebiets. Das
letzte in der Gegend, und kurz vor dem Eingehen. T. J. hatte es stabilisiert,
aber dann kam ihm seine Vision, und er hat die Sache überstürzt. Hat zwar das
Unternehmen gerettet, aber zu einem immensen menschlichen Preis. Und dann ist
da noch das Problem mit seinem Temperament; er reagiert einfach zu heftig.
Bricht einen Riesenkrach mit dem Vorstand vom Zaun und macht es den Leuten
unmöglich, weiter mit ihm zusammenzuarbeiten.«
»Wie oft passiert das?«
»Ein-, zweimal bei jedem Projekt. Er
schafft es zwar, es wieder hinzubiegen, aber auch das zu einem immensen Preis.«
»Okay«, sagte ich, »aber noch mal zu
der Art, wie er seine Leute behandelt. Lukrativität hin oder her — wie kommt
es, daß so talentierte Menschen wie Sie beide jedesmal springen, wenn er ruft?«
Carole Lattimer sagte: »Ich habe es
Ihnen ja schon gesagt: Es ist die große Chance, jemanden wie T. J. seinen Job
machen zu sehen.«
Zola nickte. »Wenn er gut ist, ist er
sehr, sehr gut. Das ist schon was, da dabei zu sein. Und wenn er schlecht ist...
na ja, auch dann ist es noch verdammt interessant.«
Ich hatte diese Frage gestellt, um zu
sehen, ob bei einem von ihnen untergründige
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