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Feinde kann man sich nicht aussuchen

Feinde kann man sich nicht aussuchen

Titel: Feinde kann man sich nicht aussuchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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irgendwie in die Kreise des organisierten Verbrechens
geraten war.
    Carole Lattimer schüttelte den Kopf.
»Ein bißchen Glücksspiel, aber vor allem touristen- und familienorientiert.«
    »Was hat T. J. sonst noch alles
saniert?«
    »Hm, da war ein Stahlwerk... und ein
großes Finanzunternehmen — ich wünschte, ich wäre da schon dabeigewesen. Ein
Gerätehersteller, der irgendwas mit der Filmindustrie zu tun hatte; eine Firma
in Colorado... Bergbau? Da müssen Sie ihn selbst noch mal fragen.«
    »Ist es nicht ungewöhnlich, daß jemand
einfach hingeht und einen Betrieb oder eine Gemeinde wieder auf Trab bringt,
obwohl er in dem betreffenden Bereich gar keine Erfahrungen hat?«
    »Doch, sehr. Das ist ja eins der Dinge,
die an T. J. so einmalig sind. Die meisten Sanierungs-Profis halten sich an
einen Sektor, den sie in- und auswendig kennen — Fertigung, Dienstleistung,
Finanzwesen, was auch immer. Aber T. J. hat die ganze Latte durchgemacht. Er
ist unermüdlich beim Recherchieren, hat ein photographisches Gedächtnis und
eine unglaublich fixe Auffassungsgabe. Und er hat einen instinktiven Sinn für
Nuancen.«
    »Aber ist seine Persönlichkeit nicht
ein bißchen...« Ich zögerte, bemüht, meine Frage taktvoll zu formulieren.
    Carole Lattimer grinste. »Sie meinen
seinen eklatanten Mangel an Feingefühl und Umgangsformen? Seine Art, Leute so
in Rage zu bringen, daß sie kurz davor sind, auf der Straße Amok zu laufen? Sie
würden staunen, wie exakt er dem Profil des Sanierungs-Experten entspricht.«
    »Wie sieht dieses Profil aus?«
    Sie begann, mit dem Zeigefinger Muster
in den Staub auf der Schreibtischplatte zu malen. »Sie sind natürlich alle
Top-Leute. In der Regel mit einem erstklassigen Bildungsgang, aber sie haben
sich durchbeißen müssen. Im allgemeinen sind sie nicht sehr... einnehmend. Sie
machen sich nicht gut bei Cocktail-Partys, haben nicht viele Freunde. Die
meisten von ihnen sind sich der Tatsache bewußt, daß sie nicht besonders gut
mit Menschen können, aber sie wollen es auch gar nicht. Sie sind unsensibel für
die Bedürfnisse anderer, es sei denn, auf sie einzugehen wäre ein Weg, das zu
kriegen, was sie wollen. Sie haben extreme Ansprüche an sich selbst und
an die Leute, die für sie arbeiten; sie dulden keine Schwächen, keine Dummheit.
Und sie sind extrem konzentriert, was soweit geht, daß sie nichts anderes mehr
sehen als den Job, der gerade ansteht.« Sie hielt einen Moment inne. »Offen
gesagt, sie sind unerträglich, und jeder ist froh, wenn sie ihre Arbeit
erledigt haben und wieder verschwinden.«
    Ja, Suits entsprach ziemlich genau
diesem Profil. »Aber was veranlaßt dann irgend jemanden — Sie zum Beispiel —,
für einen solchen Menschen zu arbeiten?«
    »Geld. Vorkaufsrechte. Die Möglichkeit,
jemandem zuzusehen, der auf seinem Gebiet absolute Spitze ist. Und die
Herausforderung, mit zu dieser Spitzenleistung beizutragen. Aber wenn man sich
darauf einläßt, ist es klar, daß man Grenzen ziehen muß.«
    »Welcher Art?«
    »Nehmen Sie nur mal unser Verhältnis:
er weiß, ich bin top auf meinem Gebiet. Er weiß, er kann sich auf meinen
Einsatz und meine Loyalität verlassen. Ich weiß, ich kann mich diesbezüglich
auf ihn verlassen. Ich weiß, er wird halten, was er verspricht. Aber das heißt
nicht, daß wir Freunde sind. Es heißt noch nicht mal, daß wir uns mögen. Wir
gehen nicht zusammen essen; ich lade ihn nie zu mir nach Hause ein. Unser
Verhältnis ist rein geschäftlich und basta, und anders würde es auch gar nicht
funktionieren.«
    Es klang auf eine coole, praktische
Weise logisch. »Okay, Sie sagen, das ist eins der Dinge, die an ihm einmalig
sind. Was sind die anderen?«
    »Das Wichtigste ist seine Visionsgabe.
T. J. sieht Möglichkeiten, auf die Sie oder ich nicht im Traum kämen. Er guckt
sich ein solches Trümmerfeld wie diese Anlagen in Hunters Point an und sieht im
Geist den Hafen von San Francisco wieder auferstehen. Seine Pläne erscheinen
anfangs vielleicht verrückt, aber am Ende zieht er sie durch.«
    Eine Stimme sagte von der Tür her:
»Nicht zuletzt dank seiner Sturheit.«
    Ich hob den Blick und sah einen
untersetzten, rundgesichtigen Mann mit einem schwarzen Wuschelkopf.
»Allerliebst, dein Kotau, Carole«, fuhr er fort. »Aber er wird dir leider
nichts einbringen, es sei denn, T. J. versteckt sich unter dem Schreibtisch.«
    »Ah, Russ.« Es lag etwas Schneidendes
in Carole Lattimers Stimme, als sie ihn begrüßte, und ihr Ton blieb auch kühl,
als

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