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Feinde kann man sich nicht aussuchen

Feinde kann man sich nicht aussuchen

Titel: Feinde kann man sich nicht aussuchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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Aggression oder Animosität
durchschimmern würde, aber ihre Antworten wirkten aufrichtig. Nach einem kurzen
Augenblick sagte ich: »Ich frage mich, wie T. J. auf diesem Gebiet so gut
geworden ist. Man beschließt doch nicht einfach, Sanierungsexperte zu werden,
und hängt sein Schild raus. Was hat er denn für einen Hintergrund, der ihn
dafür qualifiziert?«
    Zola guckte verdutzt. »Ist ein
Harvard-Diplom in Betriebswirtschaft nicht Qualifikation genug?«
    »Er war in Harvard ?«
    »Seine ganze Studienzeit.«
    Aber wie hatte er bei seinen
Streifzügen kreuz und quer durch die Staaten auch dafür noch Zeit gefunden?
»Wann?«
    Zola schmunzelte. »Es erstaunt mich,
daß eine alte Freundin wie Sie nichts davon weiß. Oder vielleicht erstaunt es
mich auch nicht. Der Mann hat einen Geheimhaltungstick, was sein Privatleben
angeht, soviel steht fest. Dabei ist es eine faszinierende Geschichte. T. J. war
eins von diesen Wunderkindern, von denen man immer wieder hört: die schon
Erwachsenenbücher lesen, wenn andere Kinder gerade das ABC lernen, und an
höheren mathematischen Problemen herumknobeln, wenn die anderen noch mit dem
kleinen Einmaleins zugange sind. Mit zwölf war er mit der High School fertig
und hat College-Kurse besucht. Mit vierzehn ging er nach Harvard, wo er nach
zwei Jahren sein Grundstudium abschloß. Ein Jahr später hatte er das Diplom in
Betriebswirtschaft.«
    »Und dann?«
    Zola meinte achselzuckend: »Erst mal
Lebenserfahrung gesammelt, schätze ich. Ich weiß nur, daß er sein erstes
Sanierungsprojekt vor vierzehn Jahren durchgezogen hat — irgendwas
Landwirtschaftliches, weiter im Norden. Dann hat er mich kontaktiert, weil er
wollte, daß ich bei der Sanierung von Avery Equipment in L. A. mitmache, und
seither mischen wir gemeinsam die Managementetagen auf. Ich bin nie auf die
Idee gekommen, ihn nach der Zeit zwischen Harvard und damals zu fragen; ich
hatte keine Veranlassung, mich für seinen Hintergrund zu interessieren, weil
ich ihn in Aktion gesehen hatte.«
    Ich war mir ziemlich sicher, daß es
nicht in Suits’ Sinn war, wenn seine Angestellten erfuhren, daß er in jenen
Jahren als fliegender Händler in vorwiegend illegalen Waren tätig gewesen war. Deshalb
antwortete ich nicht auf die unausgesprochene Erage, die in Zolas Worten
schwang. Tatsächlich hatte ich Mühe, dieses jüngste Fetzchen Information über
das Leben und Wirken Suitcase Gordons zu verdauen. Ich zwang mich schließlich,
mich wieder auf die anstehenden Dinge zu konzentrieren, und sagte: »Jetzt würde
ich gerne auf den Grund kommen, aus dem T. J. mich anheuern möchte. Mr. Zola,
Sie sprachen vorhin von dem »angeblichen Attentäter«. Ist das Ihre Formulierung
oder die von T. J.?«
    »Meine. Ich glaube, er benutzte den
Ausdruck ›Killer‹.«
    »Miss Lattimer, hat er sich Ihnen
gegenüber ebenfalls über die Situation geäußert?«
    Sie nickte. »In derselben
Terminologie.«
    »Hat einer von Ihnen irgendeine Meinung
zu dieser Sache?«
    Sie sahen sich an. »Na ja«, sagte Carole
Lattimer, » irgendwas stimmt nicht.«
    »Das weiß sie selbst, Carole. Was sie
wissen will ist, ob die Killer-Theorie stichhaltig ist.«
    Ich wandte mich Zola zu. »Ist sie’s?«
    »Nur, wenn der Killer jämmerlich
unfähig ist. T. J. behauptet, daß er es viermal mit vier verschiedenen Methoden
versucht hat.«
    Nicht nur unfähig, sondern auch
unorthodox. »Was also geht hier vor?«
    Er zuckte die Achseln.
    » Hat es jemand auf ihn abgesehen?«
    Carole Lattimer sagte: »Es mag
vielleicht seltsam klingen, aber ich möchte gern glauben, daß es so ist. Wenn
nicht, hat T. J. einen ziemlichen Knacks, und dann sitzen wir alle in der
Bredouille.«
    »Paranoia?«
    »Hmm, tja, er zeigt ein paar klassische
Symptome.«
    »Also, was — Killer oder Knacks?«
    Sie sahen sich wieder an.
    Zola sagte: »Ich stimme für Knacks.«
    Carole Lattimer nickte.
     
    »Genau hier ist es passiert«, sagte
Suits. »Man sieht noch, wo die Kugel den Pfeiler getroffen hat.«
    Wir standen neben seinem silbernen
Nostalgie-Corvette in der Tiefgarage seines Apartmenthauses. Auf dem Rückflug
über die Bay hatte er mir von zwei weiteren Anschlägen auf sein Leben erzählt:
einer Hand, die ihn plötzlich auf die Fahrbahn gestoßen hatte, als er an einer
belebten Straßenecke im Bankenviertel stand — wie in einem alten
Hitchcock-Film, war mein erster Gedanke gewesen —, und einem Schuß, der auf ihn
abgefeuert worden war, als er vorige Woche spät nachts seinen Wagen in

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