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Feinde kann man sich nicht aussuchen

Feinde kann man sich nicht aussuchen

Titel: Feinde kann man sich nicht aussuchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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Flur und spielte nach, was Suits beim Nachhausekommen gemacht haben mußte.
Es gab im Wohnzimmer keine Deckenlampe, nur die indirekte Beleuchtung über der
Bar, und der Schalter dafür befand sich am anderen Ende des Raums. Das
Flurlicht war wohl hell genug, um die Stehlampe neben dem Tisch zu finden, also
war er dorthin gegangen, und der Angreifer hatte sich auf ihn gestürzt, und
zwar... vom Durchgang zu dem unmöblierten Eßzimmer her, so, wie der Tisch lag.
    Ich ging ins Eßzimmer und suchte nach
irgendeinem Indiz für die Richtigkeit meiner Theorie. Nichts, nicht mal eine
kleine Schuhspur auf dem Parkett. Ich kam mir vor wie ein Eindringling, als ich
jetzt die Teile der Wohnung erkundete, die ich noch nicht gesehen hatte: eine
riesige Küche in Weiß und Chrom, wo sichtlich nichts Aufwendigeres zubereitet
wurde als Kaffee und Mikrowellengerichte; zwei kleinere Schlafzimmer und eine
Bibliothek, alles kahl und leer; zwei Bäder, die aussahen, als seien sie noch
nie benutzt worden; ein kärglich möbliertes Eheschlafzimmer. Nichts schien
berührt; weder die Fenster noch die Hintertür, die von der Vorratskammer
abging, zeigten irgendwelche Einbruchsspuren.
    Also hatte sich jemand um den Portier
und den Wachdienst herumgeschlichen und sich mit einem Schlüssel Zutritt
verschafft. Oder aber jemand hatte sich an den Portier oder den Wachdienst herangeschlichen und sich mit einem Schlüssel Zutritt verschafft.
    Als ich ein zweites Mal durch die
leeren Räume wanderte, kam mir mit einem Schlag zu Bewußtsein, was Suits für
ein merkwürdiges Leben führte. Er hatte keine nennenswerten Besitztümer außer
einem Satz teurer Klamotten und einem Minimum an Bürozubehör; er hatte kein
anderes Zuhause als eine Abfolge halbkahler Wohnungsgerippe in irgendwelchen
Städten, in die ihn seine Sanierungsjobs führten. Alles, was er je an
Angehörigen erwähnt hatte, war seine Mutter, und das nicht gerade in einem
besonders schmeichelhaften Kontext. Und als er im Krankenhaus gelandet war,
hatte er auf niemanden zurückgreifen können als auf mich, eine Frau, die er an
diesem Morgen zum ersten Mal seit über fünfzehn Jahren wiedergesehen hatte.
    Mir ging auf, daß Suits sich letztlich
nicht groß geändert hatte, sondern immer noch die alten Muster wiederholte. Er
führte nach wie vor ein Nomadenleben; er ging immer noch mit seinen Tricks,
Trips und Träumen hausieren, nur daß seine Kunden jetzt Investoren und
Vorstandsmitglieder waren. Er war immer noch rastlos, schnell gelangweilt und
sehr viel allein. Schon auf dem College hatte ich das Gefühl gehabt, daß
zwischen Suits und uns übrigen so etwas wie eine gläserne Wand war. Durch diese
Wand konnte er reden, lachen und Blickkontakt aufnehmen. Aber sie hielt die
Gefühle zurück und schirmte ihn gegen jede Form von Nähe ab.
    Gestern hatte er angedeutet, daß er
einmal bereit gewesen war, diese Wand für mich zu zerschlagen. Dieses
Eingeständnis mußte ihn eine Menge gekostet haben.
    Als ich wieder in den Flur zurückkam,
hörte ich draußen Geräusche; ein Schlüssel schob sich ins Schloß. Ich
versteckte mich hinter der Wand. Die Tür ging auf, und jemand kam herein; eine
Frauenstimme ließ einen unartikulierten Laut der Bestürzung los. Ich linste um
die Wand herum und sah eine Putzfrau in grauer Uniform neben den Blutflecken
knien; ihr Karren stand draußen vor der Tür. Sie fuhr zusammen, als ich auf sie
zutrat, die Augen in dem jungen Hispano-Gesicht schreckgeweitet.
    »Ist schon gut«, sagte ich. »Ich bin
eine Bekannte von Mr. Gordon. Er wurde überfallen.«
    Sie stand auf, wischte sich die
Handflächen an ihrem Uniformrock ab. »Ich hab gehört, was passiert ist. Ist er
okay?«
    »Sein einer Arm ist gebrochen, aber
sonst ist nichts Ernstes.«
    »Schrecklich.« Sie schnalzte entrüstet
mit der Zunge. »Ist er daheim?«
    »Im Moment nicht.«
    »Dann werd ich das hier aufputzen.« Sie
schubberte mit dem gummibesohlten Schuh über einen der Blutflecken. »Ist sonst
noch was?« Ihr Blick wanderte in Richtung Wohnzimmer.
    »Nur der Tisch dort drinnen, und den
lassen Sie besser Mr. Gordon. Vielleicht sind die Papiere ja noch einigermaßen
geordnet.«
    »Ich rühr seine Papiere nie an.« Sie
ging zu ihrem Karren und kam mit Eimer und Schwamm zurück.
    »Sagen Sie mal«, begann ich, »wer außer
Ihnen hat noch Schlüssel zu dieser Wohnung?«
    »Die Wachleute. Der Reparaturdienst.
Und der Concierge, für die Reinigungs-Sachen und wenn Pakete oder Blumen
kommen.«
    »Der Portier

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