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Feindesland

Feindesland

Titel: Feindesland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Uschmann
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ist uns ein Kind-e-leiiiiiin!« Auf einem Balkon nebenan beginnt die Nachbarsfamilie zu singen. Es klingt, als säße sie hier in der Küche.
    »Soziale Kontakte sind wichtig«, sagt Hartmuts Mutter. »Am besten du gehst mit dem Kleinen so früh wie möglich in eine Krabbelgruppe. Kindergarten geht heute schon ab zwei Jahren. Und achte auf Vereinsaktivitäten. Kinder brauchen Gesellschaft. Sonst bildet sich auch das Sprachvermögen schlechter aus.«
    »Ich habe ein Buch veröffentlicht und Germanistik studiert, Mutter«, sagt Hartmut.
    Sein Vater schaut derweil wieder an der Nordmanntanne vorbei aus dem Fenster, verträumt, das Bier in der Hand, als sehe er Alaska.
    »Apropos Studium«, sagt Hartmuts Mutter. »Wann schreibst du eigentlich deine Doktorarbeit?«
    Hartmut stockt und greift in den Bastkorb, aber ein drittes Bier ist nicht darin.
    Sein Vater kehrt aus Alaska zurück, steht vom Sessel auf und sagt: »Ich hol mal was zu trinken.« Er nimmt den Korb, schlendert zur Tür, öffnet sie, schlüpft in zwei blauweiße Adidas-Schlappen und pfeift, als er durchs Treppenhaus hinab in den Keller geht.
    »Nun?«
    »Mutter, ich habe soeben ein Buch veröffentlicht. Bu-huuuuch! Beim Angler Verlag. Außerdem gründen wir gerade ein Taxiunternehmen, das habe ich dir doch gesagt.«
    »Ja, sicher, aber das ist doch bestimmt nur vorübergehend, oder?«
    Hartmut wirft schnell den Kopf vor und zurück, als müsse angestaute Energie vorm Sprechen noch eben hinter die Tanne geschleudert werden. Er sagt: »Wieso denn vorübergehend? War mein Dequalifikationsinstitut vorübergehend? Mein Hausbesitz? Unsere Ausstellung?«
    »Ja«, sagen Hartmuts Mutter und wir alle gleichzeitig.
    »Hrmmmpfff«, macht Hartmut und stopft sich zwei Dominosteine und eine Pfeffernuss in den Mund.
    Da kommt mir eine Idee. Ich sage: »Hartmut wollte mir unbedingt noch Ihre Klobrille zeigen!«
    Seine Mutter sieht mich an.
    »Ja«, sage ich, »dieses Stacheldrahtdesign. >Musst du sehen<, hat er gesagt, >den Stacheldrahtdeckel, du musst unbedingt sehen, wie meine Eltern .. .<« Ich kann jetzt nicht >ihr Geschäft erledigen< sagen oder sonst irgendetwas, ich werde rot, doch Hartmuts Mutter nimmt mir das Wort aus dem Mund: »... kacken?«
    Caterina dreht sich zum Baum und studiert eine Kugel. Ich sehe Hartmuts Mutter an, als hätte sie uns einen Striptease angeboten.
    »Ja, was?«, sagt sie, »ist doch nichts dabei. Wir sind doch eine Familie. Ich erinnere mich noch, davon habe ich leider kein Foto, wie Klein-Hartmut mich im Urlaub auf einer Almhütte suchte, bemerkte, dass ich auf dem Klo saß, in den Speisesaal zwischen die Urlauber zurückrannte und seinem Vater lauthals mitteilte: »Du, Papa? Die Mama hat grad die Schüssel gesprengt!«
    Caterina schüttelt unmerklich den Kopf, die Hand auf der Stirn, die Augen im Nordmanntannendickicht.
    »Mutter! Musst du das denn alles erzählen?«
    Ich unterbreche Hartmuts Klage und sehe ihn dabei unmiss-verständlich an: »Der Klodeckel! Darf ich ihn nun sehen?«
    Er steht auf, seufzt, sagt: »Komm mit!«, und führt mich an dem großen Bücherregal seiner Eltern vorbei ins Bad. In einer der Buchreihen steht ein Buch mit dem Cover nach vorne im Fach. Es ist das von Hartmut. Wir gehen ins Bad und schließen die Tür zu.
    »Was ist denn?«, fragt er.
    »Das ist aber eine coole Klobrille!«, rufe ich.
    »Du bist doch nicht wegen der Klobrille hier drin«, sagt er nun leiser und setzt sich auf ebendiese.
    Ich setze mich auf den Rand der Wanne. Ich sehe ihn an. Ich sage: »Du bist damals deiner Mutter aufs Klo nachgelaufen?«
    Er wirft Duschgel nach mir.
    Ich wehre die Flasche ab, sie plumpst in die Emaille.
    Ich sage: »Du schreibst deine Doktorarbeit.«
    Hartmut nimmt einen Rückenrubbelschwamm in die Hand und knetet darin herum. »Meine Güte, das kann doch wirklich warten. Wir haben weiß Gott andere Dinge ...«
    »Nicht für dich«, sage ich. »Wir sind doch hier, um unsere Eltern anzupumpen, oder?«
    Er hält im Schwammkneten inne und runzelt die Stirn, als hätte ich ihn tatsächlich ebendaran erinnern müssen. Er nickt.
    »Und das bedeutet, seien wir doch mal ehrlich, wir sind hier, um deine Eltern anzupumpen! Meine Mutter hat ein Gehalt so schmal wie die Hüften von Keira Knightley, und die Kneipe von Susannes Mama wirft keine Riesengewinne ab.«
    Hartmut geht endlich das Licht auf.
    »Du meinst?«
    »Jawohl, das meine ich.«
    »Dann muss ich die Arbeit aber auch wirklich vorweisen können. Irgendwann. Demnächst.

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