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Feindesland

Feindesland

Titel: Feindesland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Uschmann
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sagt Hartmuts Vater, einen Bastkorb mit zwei Flaschen Wasser und Bier in der Hand: »Hab was zu trinken geholt.«
    Hartmuts Mutter blättert weiter und erzählt: »Hier ist Hartmut vor eine frisch geputzte Glastür gelaufen.«
    Caterina und ich beugen uns über den kleinen Wohnzimmertisch, um mit in das Album zu sehen. Wir sehen den neunjährigen Hartmut auf dem Teppich eines Fotofachgeschäftes, alle viere von sich gestreckt, bewusstlos.
    »Da habe ich zwischenzeitlich bei Photo Porst gearbeitet, unten, Richtung Berliner Tor. Mein Gott, ist das schon lange her. Da hieß Rewe noch Schätzlein. Na, jedenfalls kam Hartmut jeden Tag nach der Schule vorbei, aß etwas hinten in der Personalküche und begann dann, mir bei der Arbeit zu helfen. Einfach so, er kann ja nicht stillsitzen. Er hat schon damals im Lexikon nachgelesen, wie Kodak und Fuji entstanden sind und den Kunden dann davon berichtet, um sie beim Kauf eines Kleinbildfilms nicht im Dunkeln tappen zu lassen.«
    »So was darfst du erzählen!«, ruft der spülende Hartmut.
    Seine Mutter tippt auf das Bild: »Da hat ein Kunde seine schön bezahlten, entwickelten Bilder vergessen und ist einfach rausgegangen. Mein Sohn nimmt die Tüte, zögert nicht und rennt einfach hinterher, genau in die blitzblanke Glastür.«
    Wir kichern.
    Hartmut ruft: »Na und? Es war Sommer!«
    Sein Vater öffnet sich ein Bier, bietet mir auch eins an, was ich nicht ablehne, setzt sich auf den Sessel, trinkt und sieht aus dem Fenster.
    Hartmuts Mutter blättert weiter: »Hier ist er auf ein BMX-Rad aufgestiegen, auf dem der Sattel noch nicht montiert war.«
    Ich verschlucke mich an meinem Bier, da mir allein von diesem Satz der Unterleib weh tut. Hartmuts Mutter dreht das Album, wir sehen Hartmut auf einer BMX-Bahn neben dem sattellosen Rad, ein paar Fahrer in Sportanzügen und Helmen daneben, die auf ihn herunterschauen, wie er auf dem Boden liegt, alle viere von sich gestreckt, bewusstlos.
    Hartmut lässt in der Küche ein Messer fallen. »Die Montage war nicht Sache der Fahrer«, ruft er, »deswegen bin ich doch in den Verein gegangen, weil man da schon als Nachwuchs wie ein Profi behandelt wurde. Was kann ich denn ahnen, dass der Mechaniker beim fliegenden Sattelwechsel noch nicht fertig ist?«
    Seine Mutter schaut rüber zur Küche und sieht uns dann mit diesem Blick an, der sagt: >Ihr wisst ja, wie er ist.< Sie zeigt uns das letzte Foto dieses Albums. Sie sagt: »Er ist dann ausgetreten aus dem BMX-Verein. Eine ungefährlichere Sportart machen. Tischtennis. Er war gut, spielte schon mit zwölf Jahren als Schüler in der — wie heißt das noch, Schatz?«
    Hartmuts Vater dreht langsam den Blick vom Fenster weg zu seiner Gattin und dann zum Fotoalbum: »Landesliga.«
    »Ja, danke. Na ja, und in der Landesliga, da werden schon in dem Alter ganz schön harte Bälle geschlagen. Seht hier ...« Sie zeigt uns das Foto. Eine Turnhalle mit vier professionell abgetrennten Platten und Schiedsrichtertischen. Im Hintergrund läuft ein Match. Im Vordergrund stehen zwei erwachsene Trainer, ein Schiedsrichter sowie fünf Jungs in blauen wie roten Trikots vor einer Platte und schauen auf den Hallenboden. Quer über einem Strich, der sonst die Torlinie der Handballer markiert, liegt Hartmut neben seinem Schläger, alle viere von sich gestreckt, bewusstlos.
    »Das muss ein heftiger Schmetterball des Gegners gewesen sein«, sage ich, und Hartmut kommt aus der Küche herein, noch ein Handtuch und ein paar zu polierende Messer in der Hand, und sagt: »Ja, das war es. Ein brutaler Schmetterball. Ein Schmetterball, wie ihn Ma Lin oder Wang Hao heute nicht brutaler spielen könnten.«
    Wir schmunzeln.
    In einem Körbchen auf dem Boden neben dem Tannenbaum raschelt unsere Schildkröte Irmtraut, die wir mitgenommen haben, damit nicht auch noch sie aus der Wohnung entführt werden kann. So lustig diese Fotos auch sind, der Gedanke an Yan-nicks Aufenthalt bei irgendwelchen Kidnappern liegt mir im Magen wie kaltes Blei.
    »Susanne«, sagt Hartmuts Mutter, »falls du auch so eine Tendenz zur Bewusstlosigkeit hast, müsst ihr schauen, dass euer Kind irgendwelche Bewusstlosigkeitshemmer bekommt, da gibt es bestimmt was auf natürlicher Basis.«
    »Ich habe keine Tendenz zur Bewusstlosigkeit«, sagt Hartmut.
    Seine Mutter ignoriert es. »Und mach nicht den Fehler, das Kind zu lange von der Welt zurückzuhalten. Wenn es nicht in den Kindergarten will, ist es im Grunde schon zu spät.«
    »In Bethlehem ge-booooooren

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