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Feindesland

Feindesland

Titel: Feindesland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Uschmann
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will? Hier schauen Sie auf Baumwipfel, die über dem Wasser im Wind schwanken, und denken im Moment der Geburt: >Ja, diese Welt ist es wert.< Diesen Unterschied spürt das Kind. Glauben Sie mir.«

     
    Susanne und Hartmut glauben ihm. So skeptisch sie Esoterischem sonst gegenüberstehen, ihm glauben sie. Herr Chang hat einen vitalen Körper, leichtgebräunte Haut und Augen, die bereits weise, aber immer noch voller euphorischem Tatendrang sind. Drei scharfeingeprägte Stirnfurchen unterstreichen, dass er in seinem Leben auch Sorgen kennt und keinen zweckoptimistischen Stuss daherredet. Man fühlt sich bei ihm geborgen. Es steht kein einziger Computer in dieser Praxis.
    Herr Chang zeigt auf die einladenden Couchen mit den Flauschfellen. Wir setzen uns alle. Auf dem Tisch steht eine Kanne Tee auf einem Stövchen, umgeben von fünf kleinen, tönernen, henkellosen Tassen. Herr Chang gießt ein. Der Raum ist bis auf die leise Musik so still, dass wir dazu animiert werden, jeden einzelnen Gluckser des Eingießens bewusst wahrzunehmen und zu genießen. Herr Chang lässt sich Zeit, bis wir alle die Tassen halten, und sagt dann: »Gut, Sie wünschen also Begleitung von hier bis zur Geburt.«
    »Ja«, sagt Hartmut. »Weil wir irrsinnigen Stress haben. Das Geschäft expandiert jeden Tag. Unsere Flotte besteht jetzt schon aus elf Wagen. Wir haben Taxen für Smalltalk und Taxen für Bigtalk. Wir haben einen Love Wagon mit Kuschelhöhle ...«
    »MyTaxi, nicht wahr?«, sagt Herr Chang, »sagten Sie am Telefon. Gute Idee übrigens.« Er schmunzelt und zieht seine Augenbraue hoch. »Wenn Karrierestress und Niederkunft zusammenkommen, braucht man Entlastung. Dazu bin ich da, nicht >nur< für die Geburt selbst und die Übungen, die wir machen können. Ich bin die Achtsamkeit, für die Sie keine Zeit haben. Ich denke an alles. Kindersitzkauf fürs Auto. Vorschlagslisten mit Namen. Die wichtigsten Fähigkeiten für Kiellegung und Stapellauf des kleinen Wesens.«
    Wir lachen. Herr Chang mag 2000 homöopathische Mittelchen in den Regalen stehen haben, aber er pflegt einen handfesten Humor.
    »Sie kommen spät, aber ich stelle ein Training zusammen, das Sie beide gut durch die Geburt bringt und für die ersten Monate fitmacht. Sie lernen nicht zu viel und nicht zu wenig. Sie müssen nicht drei Zentner Ratgeber lesen.«
    »Sehr schön«, sagt Susanne und krümmt sich etwas, da das Kind getreten hat. Hartmut berührt sie fürsorglich an der Schulter. »Das war ein Dropkick«, scherzt Susanne, und ich muss lachen, weil ich mir vorstelle, wie so ein Wrestlingmove des Ungeborenen im Bauch der Mutter aussieht. Arme an einer Wand der Fruchtblase abgestützt, ausgeholt und dann beide Füße mit voller Wucht innen gegen den Bauch gerammt.
    »Und wir bleiben auch bei den Geburtsvorbereitungsübungen unter uns?«, versichert sich Hartmut noch mal.
    »Natürlich«, sagt Herr Chang. »Keine Atmosphäre wie bei der Gruppentherapie, keine verloren herumstehenden Ehemänner in zu großen Pullovern, keine Kennenlernspielchen, bei denen man sich gegenseitig Stoffbälle zuwirft und dann seinen Vornamen sagen muss. Nur Sie und ich und die Übungen.«
    »Das ist ganz wunderbar«, ächzt Susanne, da der oder die Kleine wohl noch einen Spinning Head Kick nachgelegt hat. Ob Mädchen oder Junge, wollen sie vorher nicht wissen, da man das in früheren Jahrhunderten auch nicht hätte analysieren können. Meine beiden Fortschrittsfreunde legen angesichts der Fortpflanzung eine rührende Tendenz zur Urwüchsigkeit an den Tag.
    »Wir besprechen alle offenen Fragen, denn das Wichtigste ist, dass sie bis zur Geburt frei von allen Ängsten sind. Ängste entstehen immer nur aus Unwissenheit. Körperlich üben wir vor allem das Wehensingen.«
    »Singen?«, fragt Hartmut.
    »Jawohl, damit fangen wir beim ersten Mal an.«
    Ich merke Hartmut an, dass er froh ist, dass diese Sitzung nur ein Besprechungstermin ist. Sein Telefon klingelt.
    Herr Chang sagt: »Handys sind hier drin aber eigentlich nicht angebracht.«
    »Ich weiß, Verzeihung!« Hartmut nimmt ab und sagt: »Was denn, Mario?«
    Ich höre Mario im Hörer. Er spricht sehr laut, als seien wir nicht raus zum Wannsee zu Herrn Chang gefahren, sondern in die Arktis. Mario brüllt: »Warum seid ihr denn alle vier weg?? So viele Leute können wir nicht entbehren! Man rennt uns hier die Tür ein. Bassermann ist krank, Bodo, Konrad. Ich brauche Fahrer!«
    »Ja, okay«, sagt Hartmut, »wir sind in einer halben Stunde da.« Er

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