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Feindesland

Feindesland

Titel: Feindesland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Uschmann
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Menschen hören wollen.« »Selbst wenn es noch so dumm ist?« »Sicher«, sage ich.
    »Oh, ich bekomme einen Fahrgast«, sagt Hartmut, und ich bleibe in der Verbindung.
    »Guten Tag, einmal Smalltalk plus Cola plus Amy Macdonald, falls sie die dahaben. Die aus den Charts.« »Kein Problem«, sagt Hartmut.
    Langsam rolle ich durch Berlins Straßen und lausche, wie Hartmut seine Fahrt meistert.
    »Mann, Mann, Mann«, sagt sein Fahrgast. »Das ist kein richtiger Winter, was?«
    Hartmut sagt: »Na ja ...«
    Der Fahrgast sagt: »Wenn wenigstens echter Schnee fallen würde. Aber es bleibt ja nichts liegen. Nur grauer Matsch.« Hartmut sagt: »Matsch ...«
    Der Fahrgast sagt: »Gut, wir hatten ja letztes Jahr auch keinen echten Sommer.« Ich höre durch den Funk, wie schwer Hartmut atmet. Der Fahrgast sagt: »Ein paar Tage im August und dann Anfang Oktober noch mal. Anfang Oktober, das war doch verrückt, oder? Daran merkt man, wie wir das Klima kaputtmachen. Da können wir uns noch so bemühen, solange der Amerikaner ...«
    Hartmut unterbricht seinen Gast: »Entschuldigen Sie mal, aber das stimmt doch einfach nicht.« »Wie bitte?«
    »Ich war letzten Sommer in Hohenlohe und quer durch Deutschland auf der Autobahn unterwegs, und ich erinnere mich an kaum einen Tag, an dem nicht die Sonne geschienen hat. Es war ein super Sommer!«
    Sein Fahrgast ist verdutzt. »Na ja«, sagt er, »gut, im Mai war es auch schon etwas freundlicher, und im Juni kann man schon von Sonne sprechen. Juli und August auch, aber ...«
    »Und diese Panik wegen des Klimas«, sagt Hartmut, »denken Sie nicht, dass wir Menschen uns da wieder fürchterlich überschätzen?«
    Der Mann sagt nichts. Er ist zu schockiert. Klimawandel-Leugnung wird schon sehr bald als Straftat geahndet. Das Gesetz muss nur noch durch den Bundesrat.
    Hartmut sagt: »Sicher ist es Mist, wie wir seit Jahrzehnten die Luft verpesten, gar keine Frage. Aber das sind Peanuts gegen das, was Mutter Erde selbst in den Äther jagen kann, wenn ihr danach ist. Wir glauben wirklich, wir könnten mit ein paar Gesetzen die Globaltemperatur in 20 Jahren beeinflussen? Ich lach mich doch schlapp! Wir können nicht mal das Wetter in fünf Tagen vorhersagen.«
    Der Fahrgast lacht, aber ein wenig gezwungen. Hartmut hört nicht auf. Er sagt: »Der Mensch hat Gott abgeschafft und will doch immer noch Herr der Welt sein, jetzt eben im Bösen. Es würde den Menschen anscheinend sehr kränken, wenn Gott den Weltuntergang herbeiruft und nicht er selbst.«
    Der Fahrgast schweigt. Hartmut spürt, dass Smalltalk so nicht funktioniert. Eine Minute lang herrscht im Äther Ruhe. Hartmut atmet, sein Fahrgast schlürft die Cola.
    Hartmut sagt: »Man rennt ja nur noch zu den Ärzten.«
    Sein Fahrgast antwortet, zögernd und voller Angst, gleich wieder Contra zu bekommen: »Rücken?«
    Hartmut sagt: »Steiß! Vom vielen Sitzen. Ich hab hier zwar mein Schafsfell über den Sitz gezogen, aber auf Dauer nützt das auch nichts mehr.« Ich will mich gerade freuen, dass er begreift, wie man's macht, als er freimütig zu seinem Fahrgast sagt: »Außerdem muss ich siebenmal am Tag auf den Topf. Regeln Sie das mal, wenn Sie auf der Straße des 17. Juni geschlagene zwei Stunden im Stau stehen. Zwei Stunden, und von innen drücken die Belagerer ans Burgtor. Irgendwann überlegen Sie ernsthaft, ob Sie sich nicht die Tupperdose unter den Popo schieben sollten.«
    Ich schlage die Hand vor den Kopf. Hartmut denkt sich nichts bei so was. Seine Mutter sprach beim Fotosgucken an Weihnachten ja auch vom Kacken. Für ihn ist das Plauderei. Plauderei mit einem Hauch persönlicher Offenbarung, der beim Gegenüber Vertrauen schafft. Er erreicht sein Ziel, verabschiedet seinen Fahrgast und schaltet den Funk nun auch in meine Richtung frei. Er sagt: »Es tut mir leid.« Ich sage: »Wir arbeiten dran.«
    Dann schalte ich von Mark Knopfler zu Weezer um und sause heim zur Zentrale.
     
    In der Nacht höre ich Hartmut und Susanne im Kinderzimmer. Sie benutzen es vorübergehend als Schlafraum. Caterina und ich nächtigen im großen Wohnzimmer. So haben wir alle ein wenig mehr Privatsphäre. Ich liege mit Caterina im Löffelchen. Sie atmet ganz ruhig. Würde ich diesen Rhythmus irgendwann nicht mehr neben mir spüren, bliebe ich den Rest meines Lebens schlaflos. Hartmut und Susanne kichern. Es ist ihr spezielles Kichern, mit dem bei ihnen der Sex beginnt. Schlafe ich, wenn sie es tun, ist alles in Ordnung. Bekomme ich allerdings den Start mit,

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