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Feindesland

Feindesland

Titel: Feindesland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Uschmann
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Gott!« Sie wedelt mit der Banane. Yannick versteckt sich hinter einem Heizkörper. »Wenn dieser Planet nur von Männern bevölkert wäre, wisst ihr, wie der dann aussähe? Es wäre eine Wüste, durch die Männer in Dreiergruppen fahren. In Jeeps, auf denen Maschinengewehre montiert sind!« Sie hat ja recht. »Wir dürfen uns nicht darauf einlassen«, sagt sie.
    »Stimmt«, sagt Hartmut, der für solche Argumente am anfälligsten ist. Genetisch ist er zwar auch ein Kerl, aber ein langes humanistisches Studium hat in ihm schwere Schleusen vor die alten Triebe geschoben. »Wir müssen sie anders besiegen. Mit den Mitteln der Zivilisation. Dem Rechtssystem, der Ökonomie und Beziehungen.« Er sieht mich an: »Weißt du noch damals bei Jochen, wie wir uns die Demos vom Balkon angeschaut haben?«
    »Sicher.«
    »Die Polizisten, die er dort immer beherbergt hat, damit sie 20 Minuten Pause haben, wie hießen sie noch?« »Benedikt und Klaus.«
    »Ja. Meinst du, Jochen hat noch Kontakt zu ihnen?« »Möglich.«
    »Vielleicht haben die irgendeinen Draht zur Kripo in Berlin. Oder hier, dieser Verkehrspolizist von der Raststätte neulich. Herr Reinhard. Wir besorgen uns irgendwie einen Ansprechpartner bei den Bullen, der wirklich zuhört.«
    Caterina sagt: »Veith, aus der Agentur. Der ständig Klagen und Prozesse führt. Der kennt patente Anwälte.«
    »Kirsten!«, rufe ich aus, »unsere alte Nachbarin. Ist auch bei der Polizei. Gut, so wohlgesonnen war sie uns nicht, aber die könnten wir auch noch mal auftreiben!«
    »Wir finden raus, wen wir in Berlin deswegen anhauen können. Gleichzeitig ziehen wir irgendein Geschäft auf, dass uns genug Geld verschafft, um aus diesem Haus zu verschwinden.« Hartmut sieht Cevat an: »Genug Geld, um euch zu helfen, auch aus diesem Haus zu verschwinden.«
    Cevat lacht abfällig: »Womit denn?«
    Wir schweigen und überlegen. Cevats kleiner Bruder lässt Ai Ai über eine breite Fläche rollen, die in der Mitte fiese Löcher hat. Auf den ersten Blick sieht es sicher aus, doch es kann jeden Moment in die Tiefe gehen. Yannick ist hinter dem Heizkörper hervorgekommen und irritiert ihn mit Pfotengefuchtel vor dem Fernsehschirm.
    »Wenn man bloß selbst so was erfunden hätte wie das böse Breichen, was?«, sagt Caterina.
    »Ja«, sagt Hartmut. »Das wird den reichen Hipp noch reicher machen. Und das, wo 80 % der Bevölkerung gar nicht davon adressiert werden. Ich möchte den 50-jährigen Schützenbruder aus der westfälischen Provinz sehen, der sich im Dorf-Edeka das böse Breichen holt.«
    »Differenzierung ist eben alles«, sagt Caterina.
    Hartmut lacht und zitiert den Baumarktverkäufer, der uns damals in Schwäbisch Hall, als wir von Herrn Leuchtenberg einkaufen geschickt wurden, sagte: »Die Breite Masse gibt's nicht mehr. Nur noch individuelle Lösungen.«
    Ich kichere. Cevats Bruder lenkt das Äffchen Ai Ai erfolgreich um alle Löcher und jubelt. Yannick gibt ihm Köpfchen.
    Susanne sagt: »Sag das noch mal, Hartmut.«
    »Was, das mit der Breiten Masse?«
    »Nur noch individuelle Lösungen, richtig?«
    »Ja.«
    Susanne sagt: »Das ist es!« Sie trommelt mir gegen die Schulter. »Die Touris vorhin, beim Thailänder. Die haben sich doch die ganze Zeit über die Berliner Taxen beschwert, oder? Zu viel Smalltalk, zu viele Schlager.«
    Ich weiß nicht, worauf sie hinauswill: »Ja, und?«
    Susanne wedelt mit dem Finger herum, wie es sonst Hartmut tut, wenn in ihm die Ideen das Licht der Welt erblicken. »>Man kann es sich nicht aussuchen<«, haben sie geseufzt, ganz verzweifelt.« Wir schauen sie an wie das Äffchen Ai Ai, wenn es in seiner Spielkugel wartet und der Spieler gar nichts tut. Sie schüttelt den Kopf, als seien wir lernschwache Nachhilfeschüler, und zugleich glänzen ihre braunen Augen. »Was, wenn man es könnte?«
    »Was könnte?«, frage ich.
    »Na, es sich aussuchen! Von vornherein. Bevor man ins Taxi einsteigt. Oder wenigstens, bevor es losfährt.«
    Jetzt begreife ich, was sie sagen will. Mein Puls beschleunigt. In Sekundenbruchteilen springen in meinem Kopf Ideen und Entwürfe auf wie Pop-up-Fenster auf einem Rechner ohne Firewall. Es sind so viele, dass ich sie kaum festhalten kann. Ich werde kurzatmig. Mein Gott, so fühlt sich Hartmut also ständig! Muss das ein anstrengendes Leben sein. Bevor ich bloß dasitze und japse, bringe ich heiser heraus: »Taxi ohne Smalltalk. Taxi ohne Schlager.«
    Susanne führt den Gedanken weiter: »Taxi mit Smalltalk. Taxi mit

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