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Feindesland

Feindesland

Titel: Feindesland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Uschmann
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Kellerbar telefoniert, den Prozessexperten Veith interviewt oder am Laptop Nachforschungen anstellt, welche gewerblichen Grundstücke in Berlin günstig abzugeben sind und wie die neuen Fördermöglichkeiten der Regierung für alle aussehen, die mithelfen, den Privatverkehr abzuschaffen. Sie sehen fantastisch aus. Das Moralministerium hat in Zusammenarbeit mit dem Wirtschaftsministerium das Programm »Grüne Gründung« ins Leben gerufen, das Firmenneugründungen, die »der Gerechtigkeit, der Umwelt und dem Wohl der Allgemeinheit« dienen, mit Finanzspritzen unterstützt. Vor zwei Tagen haben sie von Hartmut ein Expose zu unserer Firmenidee MyTaxi bekommen und sich sofort gemeldet. Das Tempo bleibt hoch. Wir sollen dort um 9:35 Uhr empfangen werden. Um 12:00 Uhr folgt ein Termin bei der Kripo, den wir über unsere reichhaltigen alten Polizeibekanntschaften tatsächlich einstielen konnten.
     
    Es ist 9:30 Uhr. Hartmut und ich sitzen im Vorraum des Büros für »Grüne Gründung«. Es wurde als Neubau der Arbeitsagentur angegliedert, aber wo nebenan immer noch eine gewisse Tristesse herrscht, ist dieser Gebäudetrakt mit Holz und geflochtenen Rattanmöbeln ausgestattet. Man fühlt sich wie im Hüttenrestaurant eines Hotels im Yosemite-Nationalpark. An den Wänden hängen Fotos von Walen und Papageien. In einer Spielecke für Kinder hängen Bilder, die den Kleinen frühzeitig beibringen sollen, wo das Böse sitzt. Ein altes Auto ist da zu sehen, beladen mit Urlaubsgespäck und vollgestopft mit Eltern und Kindern, deren Glieder links und rechts aus den Fenstern herausragen. Der Vater raucht am Steuer und sieht aus wie ein Schwerverbrecher, die Mutter ist übergewichtig und isst Fleischkäse auf Brot, die Kinder halten sich wegen des Qualms aus Zigarette und Auspuff angewidert die Nase zu und sind blau angelaufen. Das Auto hat vorne ein Gesicht, in dem die Lampen als Augen fungieren, und ächzt leidend unter der Anstrengung, seine Zunge hängt aus dem Kühler wie die eines schwitzenden Hundes. Am Straßenrand liegen überfahrene Häschen. Daneben sieht man eine zweite Familie, die mit dem Zug in den Urlaub fährt. Sie sind schlank, glücklich und Luftatmer, essen Äpfel und haben eine rosige Hautfarbe. Neben ihnen hüpft ein zufriedener Hund auf und ab. Auf der Wiese hinter den Gleisen winken gesunde Kaninchen.
    »So, bitte, Sie können jetzt reinkommen«, sagt eine Frau, welche die Tür zum Wartezimmer geöffnet hat.
    Wir betreten ihr Büro. Auch dieses wirkt, als sei es die Zentrale einer Safari-Expedition. Afrikanische Holzmasken hängen an den Wänden, ein paar faustgroße Kristalle liegen auf dem Schreibtisch, ein Regenrohr lehnt an der Tischplatte.
    »Wir haben uns Ihr Projekt angesehen, und wir finden es toll«, sagt die Frau, während wir uns auf zwei Korbsessel vor ihrem Schreibtisch setzen.
    »Das freut uns, Frau ...«, Hartmut schaut auf ihr Namensschild am Schreibtisch, »Mützenmacher.«
    »Wir wären bereit, diese Firmengründung durch die Übernahme der kompletten Erwerbskosten für das Gewerbegrundstück zu unterstützen« - Hartmut will schon jubeln, doch Frau Mützenmacher ist noch nicht fertig — »sowie uns mit 50 % an den Kosten für die Restaurierung und Instandsetzung der Werkstätten und Büroräume zu beteiligen, wenn, ja wenn diese Instandsetzung ausschließlich mit biologisch verträglichen Materialien ausgeführt wird.« Wir sind baff.
    Trotzdem frage ich: »Und an den Fahrzeugen und deren Umbau wollen Sie sich nicht beteiligen?« Hartmut tritt mir auf den Fuß.
    Frau Mützenmacher blättert in unserem Expose. »Wenn Sie die Wagen auf Erdgas umrüsten, wie es hier in Ihrem Businessplan vorgeschlagen wird, können wir auch darüber sprechen.«
    »Das dürfte machbar sein«, sagt Hartmut.
    »Ich sehe, Sie haben schon ein Gelände auserkoren?«, fragt Frau Mützenmacher.
    »In Pankow, Stiftsweg Ecke Damerowstraße, ehemals Gebrauchtwagenhandel. Bürogebäude, Garagen, eine Werkstatthalle. Knappe 1200 Quadratmeter. Alles zusammen bloß 150.000 Euro.«
    »Und die Restaurierungskosten?«
    »Haben wir kalkuliert. Noch mal das Gleiche.«
    »Öko?«
    »Nein, mit Lösungsmitteln. Aber wenn Sie das fördern, machen wir ohne.«
    »Gut. Und, ach ja, bei den Gehältern für Ihre Angestellten schießen wir auch was zu, um sicherzustellen, dass am Ende alle gleich viel bekommen.« Frau Mützenmacher schließt ihre Akte. Sie holt drei Gläser aus einem Schrank, stellt sie auf den Schreibtisch und sagt: »Dann

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