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Feindesland

Feindesland

Titel: Feindesland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Uschmann
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erstarrt.
    Ein Mann, der nach dem Beschuss mit Bleikugeln ruhiger wird statt wilder. Er steht nun da wie Günter Netzer bei der Spielanalyse und sagt in einem Tonfall, der keine Zweifel lässt: »Zahlt. Zahlt eure Miete. Und du, Cevat, du diesen Monat das Doppelte, als Schmerzensgeld für das hier. Zahlt!« Er nimmt die Hand vom imaginären Moderationstisch, löst seine Pupillen langsam wieder aus der Verankerung und lässt sie an uns haften, während er seinen Kopf und Körper bereits zum Gehen dreht.
    Patnov und er steigen in einen Wagen, an dessen Windschutzscheibe gar keine Plaketten kleben. Weder für Feinstaub noch fürs GNS.
     
    »Ob das richtig war?«, sagt Cevat, der jetzt auf unserer Couch sitzt, während sein kleiner Bruder und sein Schützenkumpel versuchen, das Äffchen Ai Ai bei Super Monkey Ball über eine schmale Y-Route zu balancieren. Sonst spielen sie nur Kriegsspiele, und sie haben sich sehr geziert, vor unser aller Augen so etwas Niedliches zu versuchen, aber das Spiel ist einfach zu gut.
    »Das war aber so was von richtig!«, sagt Hartmut, der zwischen Balkon, Couch und Küche auf und ab tigert. Er atmet hastig, seine Augen sind gerötet. Er ist nur deswegen schon zu Hause, weil er die Agentur als Erster verlassen hat. Ist aufgestanden, wie selbstverständlich, hat >Tschüss, bis morgen!< gesagt und ist gegangen. Er agiert endlich wieder. Dem Himmel sei Dank.
    »Das war nur eine Schlacht«, sagt Cevat. »Den Krieg haben wir deswegen nicht gewonnen.«
    Susanne verarztet derweil meine Nase. Sie tut höllisch weh, ist aber nicht gebrochen.
    »Aber Respekt«, sagt Hartmut, »wir haben Respekt gewonnen. Nur so geht es doch! Sollen wir stattdessen brav zahlen und Seminare über die soziale Benachteiligung russischer Immigranten besuchen, wo man uns erklärt, wie es notwendigerweise dazu kommen musste?« Hartmut sieht mich verdutzt an. »Hab ich das gerade gesagt? Ja, das habe ich wohl gerade gesagt. Scheiße, diese Stadt macht mich fertig.«
    »Das lässt der nicht auf sich sitzen«, sagt Cevat, »der schickt die Albaner. Was machen wir denn jetzt? Ich muss auf meinen Bruder aufpassen, Mann!«
    »Dein Bruder ist ein Held«, sage ich, und der Kleine dreht sich von der Playstation weg und strahlt mich an. »Idioten werfen das Gewehr weg«, sage ich. »Helden wissen, auf wen sie es zu richten haben.«
     
    Die Tür geht auf. »Was höre ich denn hier wieder für militaristische Sprüche«, sagt Caterina und erstarrt, als sie sieht, wie Susanne meine Nase repariert. »Ohhhh, mein Kuschelhäschen!«, ruft sie, und es ist mir egal, dass das nun folgende Ritual für Cevat und die Jungs peinlich aussehen muss. Ich brauche den Trost, also umschlinge ich Caterina und stoße mit ihr auf der Couch unsere für Außenstehende verwirrenden Lautfolgen wie »Miu miu« aus, gemischt mit Gurr- und Schnurrlauten sowie zahllosen Liebesbekundungen in verniedlichender Tierform. Auf der Playstation fällt Ai Ai in die Tiefe und stimmt danach quiekend und keckernd in unser Ritual ein. Auf der Couchlehne sitzt Yannick und miaut in dramatisch wolfshundartiger Weise, das Schnäuzchen gen Himmel: »Uuuuauuu! Uuuuauuu!«
    Als wir fertig sind, erklären wir Caterina in aller Ruhe, was hier los ist und in welcher Bredouille wir alle stecken. Sie hört es sich an und verschränkt die Arme.
    »Ihr müsst mich nicht schonen wie ein Kind, das die gruseligen Filme nicht sehen darf.« Wir senken betreten die Köpfe, bis sie sagt: »Wir müssen die anzeigen.«
    »Nein!«
    »Doch! Sie alle. Dieser Ozgür hat dich gewürgt, dieser Alexej dir fast die Nase gebrochen, und der andere hat Susanne angegriffen. Das ist doch immer noch ein Rechtsstaat, verdammt! Wir zeigen sie an. Wir haben doch viele Zeugen.«
    Cevat reibt sich das Gesicht: »Anzeigen ist bei denen noch nie gutgegangen. Selbst wenn du zwei aus dem Verkehr ziehst, dann kommen die Nächsten. Und die fangen dann direkt mit den Daumen an.«
    »Und wie wollt ihr sonst damit umgehen? Auch Daumen brechen, oder was? So werden wie sie? Eine Armee aufbauen?« Cevat, Hartmut und ich protestieren nicht gerade gegen diesen Gedanken. »Ja, da sehe ich doch schon das Glänzen in euren Augen.« Jetzt regt sich Caterina auf. Sie steht auf, geht in die Küche, nimmt sich eine Banane aus dem Kühlschrank und zeigt damit auf uns, bevor sie sie schält. »Männer! Suchen förmlich den Grund, warum auch sie mal endlich ausrasten und Knochen brechen dürfen. Aus den >richtigen< Gründen natürlich. O

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