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Feindesland

Feindesland

Titel: Feindesland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Uschmann
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Der Discountmarkt wird unter diesem Gesetz leiden. Aber hat er es nicht verdient, so, wie er seine Angestellten und unsere Umwelt behandelt?«
    »Und die Armen?«, fragt Hartmut. »Die Menschen, die in Wedding oder Lichtenberg im Plattenbau wohnen? Wie ernähren die sich dann?«
    »Gesund. Endlich gesund! Das ist doch gerade die Klientel, die wir verändern müssen. Weniger Rambo, weniger ungesättigte Fettsäuren.«
    »Weniger essen«, sagt Hartmut. »Darauf läuft es doch hinaus. Sie hungern sie aus.«
    »Wir hungern niemanden aus.«
    »Aber Sie verteuern alles.«
    »Damit wir Leuten wie Ihnen das Unternehmen sponsern können. Davon abgesehen habe ich nicht gesagt, dass wir die Armen im Stich lassen. Ich sagte, dass die Produktpreise nicht endlos tief fallen können, wenn alles aus biologischem Anbau und fairem Handel kommt, aber ...«, sie trinkt langsam einen Schluck Biobirnensaft, »wir können das anders steuern.«
    »Und wie?«
    Frau Mützenmacher zieht eine Schublade auf und legt uns ein Heft auf den Tisch. Es ist grün und sieht aus wie das Bonusheft beim Zahnarzt. Ein Blatt Mangold ist darauf abgebildet. »Das geht gerade in Druck. Das Ernährungsheft, speziell für sozial Schwache. Das legen Sie beim Einkauf vor. Kaufen Sie gesund ein, bekommen Sie Stempel. Die präsentieren Sie dem Sozialamt und bekommen je nach Stempelmenge bis zu 50 % ihrer Lebensmittelkosten erstattet. Komplett! Ohne Stempel kommen Sie ins Schlittern, ohne Stempel war schlecht.«
    »Und wenn ich das nicht will?«, fragt Hartmut. »Wenn ich statt Mangold den guten alten Mexikotopf will?«
    »Dann gibt's keine Unterstützung mehr. Der Mexikotopf besteht aus Zutaten, für die im Süden Menschen leiden. Irgendwo müssen die nötigen Schritte auch mal getan werden.«
    »Bei 50% Ermäßigung kostet der Biotopf immer noch 1,99 Euro«, sagt Hartmut. »Zumindest wenn die Preise so bleiben wie bisher. Der Mexikotopf lag bei 79 Cent.«
    »Das ist korrekt«, sagt Frau Mützenmacher. »Dann wird eben etwas weniger gegessen, wie Sie schon sagten. Wenn man vernünftig kaut und dabei nicht nebenher >Rambo< guckt, zieht man ohnehin mehr Nährstoffe aus derselben Mahlzeit. Die Krankenkassen machen mit und bieten günstige Kaukurse an. Es gibt sogar«, und jetzt steht Frau Mützenmacher auf, als könne sie bei so einer Nachricht nicht still sitzen bleiben, »eine staatliche Vollsubventionierung des kompletten Lebens, wenn Sie es in allen Belangen richtig führen.«
    »Was muss ich dafür tun?«, frage ich.
    »Einen eigenen Garten mit mindestens vier Sorten Gemüse und vier Sorten Obst anlegen. Nicht rauchen. Höchstens 0,1 Liter Rotwein in der Woche. Keinen anderen Alkohol. Mindestens fünfmal die Woche selber kochen. Mindestens dreimal die Woche Sport treiben. Zur Vorsorge gehen. Ein Ehrenamt annehmen. Bis zum Alter von 35 Jahren mindestens ein Kind bekommen, insgesamt aber nicht mehr als vier, es sei denn, die sind adoptiert. Nur als Familienministerin können Sie ungestraft so viel werfen, wie Sie wollen. Höchstens fünf Stunden Fernsehen die Woche. Kulturprogramm. Privatfernsehen regeln wir noch anders, da laufen Planungen.«
    »Das ist ein Vollzeitjob«, sage ich, »wer so lebt, kann nicht mehr arbeiten gehen.«
    »Braucht er auch nicht. Er bekommt ja dann alles gestellt.«
    »Eine Vollsubvention für Richtigleber«, sagt Hartmut, und wenn wir nicht bald gehen, platzt er. »Wer überprüft, ob die Regeln eingehalten werden?«
    »Staatliche Betreuer. Einmal am Tag. Das gehört zum Deal.«
    »Ich glaub, mein Schwein pfeift!«, sagt Hartmut.
    Frau Mützenmacher ignoriert es. Sie muss eigentlich auch wissen, wer Hartmut ist und dass er das Manifest der Unvollkommenheit geschrieben hat. Sie wissen doch alles über uns, sie brauchen es nur googeln. Aber sie will, dass MyTaxi entsteht. Sie will, dass wir das Richtige tun. Auf der Rückseite des Bonusheftchens für Ernährungszuschüsse hält der Löwe des Moralministeriums den Daumen in die Luft. »Do the right thing!« steht auf seinem Pulli. Wir trinken den Biobirnensaft aus, bedanken uns und gehen. Zwei Blöcke weiter kauft Hartmut ein Bier, ext es, wirft es in eine Mülltonne und schlägt mit zusammengebissenen Zähnen genau 40 Mal auf sie ein. Dann sieht er mich schwitzend an, und wir gehen weiter, zu unserem Termin bei der Polizei.
     
    Der Warteraum bei der Kriminalpolizei ist sachlicher gestaltet als das Safarifoyer des neugeschaffenen Büros für grüne und gerechte Firmengründungen. Ein flacher

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