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Feindesland

Feindesland

Titel: Feindesland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Uschmann
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dass 50 % Ihrer Belegschaft aus Benachteiligten und Minderheiten bestehen.«
    »Bei 50 % ist man keine Minderheit mehr«, sage ich.
    »Jeder denkt heutzutage, er sei eine Minderheit«, sagt Hartmut. »Mit diesem Gefühl kannst du rebellische Duschgels verkaufen. Und böse Breichen.«
    Herr Hirschfeld lacht: »Ja, aber wir reden hier nicht von absichtlich zerstrubbelten jungen Männern mit Viertagebart. Wir reden hier von Kleinwüchsigen. Von Großwüchsigen. Von Lesben. Von Kommunisten.«
    »Kommunisten?«
    »Ja. Von Kommunisten. Das Gesetz sieht ganz klar vor, dass ein Betrieb in Relation zu seiner Größe auf jeden männlichen Deutschen ohne psychische und physische Einschränkungen mindestens einen Einwanderer, eine Einwanderin, einen gleichgeschlechtlich Orientierten, einen Transsexuellen, einen Sprachbehinderten, einen Schizophrenen, einen Jugendlichen ohne Abschluss, einen Vorbestraften oder einen Kommunisten beschäftigen muss.«
    »Einen Vorbestraften?«, frage ich.
    »Einen Kommunisten?«, fragt Hartmut.
    »Ja, da war auch bei mir der Ofen aus«, sagt Herr Hirschfeld.
    »Einwanderer, Lesben, alles kein Problem. Ich hatte sogar eine Drag-Queen. Aber einen Vorbestraften wollte ich nicht. Einen Vorbestraften wollte ich nicht, und einen Schizophrenen bekam ich nicht. Die sind bereits alle untergebracht. Einige Gesunde simulieren mittlerweile den Schizo, damit sie eine Stelle bekommen.«
    »Aber warum einen Kommunisten?«, fragt Hartmut.
    »Jetzt hör doch mal mit dem Kommunisten auf«, sage ich.
    »Was ist denn mit den Faschisten?«, fragt Hartmut.
    »Die sind von sämtlichen Jobs ausgeschlossen worden«, sagt Herr Hirschfeld. »Die kriegen gar nichts mehr. Das wird vom Ministerium genau überprüft. Die sagen, wer mit Glatze auf der Straße herumläuft und behauptet, er würde von diesem zionistischen deutschen Staat systematisch benachteiligt, muss in jedem Fall ausgeschlossen werden. Alles andere sei obszön.«
    »Das heißt jetzt also, wenn unser Unternehmen mit zwanzig Mitarbeitern anfängt, müssen zehn davon ...«
    »Die Quote erfüllen, richtig.«
    Hartmut sieht mich an. »Also, die Leute von Cevat haben alle Migrationshintergrund. Mario ist schwul. Marios Praktikantenkumpel haben bestimmt irgendwas. Krummen Rücken, Tinnitus.«
    »Tinnitus reicht nicht«, bemerkt Herr Hirschfeld. »Und es darf auch nicht zu einseitig sein. Sie können die Quote nicht erfüllen, indem Sie alles mit Einwanderern zukleistern. Es geht der Regierung darum, dass das alles gerecht und gleichmäßig verteilt ist. Ohne Vorbestraften und Kommunisten kommen Sie nicht weit.«
    »Wir können Jörgen anrufen«, sage ich. »Der ist vorbestraft wegen Handel mit Haschisch.«
    »Und einen Kommunisten kann man vortäuschen«, sagt Hartmut.
    Herr Hirschfeld wedelt mit dem Finger: »Oooo nein, das prüfen die besonders genau. Da haben Sie die Rechnung ohne das Ministerium gemacht. Die haben extra für diesen Fall Gesinnungsprüfungsbeamte eingestellt, die in die Firmen kommen und abchecken, ob der Quotenkommunist auch wirklich überzeugt ist. Und ich sage Ihnen, da helfen keine paar auswendiggelernte Phrasen. Die kennen sich aus. In der Regierung hat ja auch jeder sein >Kapital< gelesen.«
    »Hab ich auch«, sagt Hartmut, »dann gebe ich den Kommunisten.«
    »Der Chef zählt nicht«, sagt Herr Hirschfeld.
    »Wir werden schon einen finden«, sage ich.
    Der Fahnenmast klimpert. Wir stieren wieder die Wand an.
    »Kann man das nicht irgendwie umgehen?«, fragt Hartmut. »Das ist mir alles zu kompliziert.«
    »Sicher können Sie das umgehen. Indem Sie freiwillig Ihre Spendenquote erhöhen. So machen das die Großkonzerne.«
    »Die Spendenquote?«
    »Das haben Sie auch nicht mitbekommen? Jedes Unternehmen muss je nach Geschäftserfolg eines Jahres mindestens den Zehnten seiner Gewinne für gemeinnützige Zwecke abführen.« Herr Hirschfeld wartet, ob wir was merken. Er sagt: »Den Zehnten! Hallo? Bibel! Na ja, egal, andernfalls bekommt das Unternehmen jedenfalls kein Sozialzertifikat. Das braucht es aber, genauso wie das Umweltzertifikat. Außerdem ist es unerlässlich für die Kundschaft. Ohne Sozialzertifikat kauft bei Ihnen keiner mehr etwas. Je nach Höhe des Spendensatzes bekommen Sie ein besseres Zertifikat, die sind nach Farbe unterteilt. Gelb, rot, grün. Bei Grün sind Sie ein Samariter, führen aber auch bis zu 60 % ab.«
    »Dann habe ich viele Kunden, aber das Geld gebe ich direkt weiter.«
    »Ja. Dieser Satz lässt sich nur indirekt

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