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Feindesland

Feindesland

Titel: Feindesland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Uschmann
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hast zu tun. Ich freue mich auf das Foto.« »Ja.«
    »Okay, Kind, alles klar. Dann bis später. Tschüüüüüs!«
    Sie legen auf. Susanne bedeutet Hartmut, vor einem wallenden Vorhang zu posieren, der wie ein Brautschleier auf den alten, roten Teppich fließt. Sie schiebt mich zur Seite, hält ihr Telefon aufrecht, prüft den Bildausschnitt und drückt ab. Sie schaltet in den Wiedergabemodus, nickt, tippt eine kleine Mail, hängt das Bild an, wartet, bis die Post in der Luft verschwunden ist, schaltet das Gerät aus und verstaut es tief in der Tasche. »Können wir jetzt?«
    Wir können.
     
    Die Dame hinter dem Tresen ist freundlich. Sie duftet nach dem Parfüm, dessen Flaschen wie Felswände strukturiert sind. In einem Radio hinter ihr raunt Chris Rea »Driving Home For Christmas«.
    »Was kann ich für Sie tun?« »Wir suchen den Agenten Schuh.«
    Statt zu antworten, blättert die Frau in ihrem Terminkalender.
    »Eigentlich hat er heute keine Termine mehr frei.« Hartmut sagt: »Sie sind Empfangsdame und zugleich Sekretärin von Herrn Schuh?« »Ja.«
    »Und um zu ihm zu gelangen, müssen wir womöglich bei Ihnen einen Termin machen. Oder einen Termin zum Terminmachen machen lassen?«
    Susanne berührt Hartmut am Oberarm: »Hartmut, pschsch ...«
    Die Empfangsdame sieht ihn an wie Dr. Daniel Jackson aus »Stargate« eine uralte Keilschrift auf fremden Planeten.
    Hartmut sagt: »Sie kennen nicht zufällig das Mariechen?«
    Die Frau atmet tief aus, tippt mit ihrem Kuli auf der Kalenderseite herum, streicht mit einem Ruck, der fast in das Papier schneidet, die Termine eines halben Tages durch und sagt: »Agent Schuh wohnt in der Suite im vierten Stock. Ich sage ihm, dass Sie kommen.«
    Als wir im vierten Stock anlangen und Hartmut klopfen will, hält seine Faust vor dem Holz inne, da von innen laute Geräusche ertönen. Wiederholte dumpfe Schläge und zwischendrin schweres Hecheln. Hartmut löst seine Faust und drückt nur mit dem gestreckten Zeigefinger auf die Tür. Mit einem Klackern öffnet sie sich ein Stück weit. Aus dem Inneren schwelt eine Mischung aus Qualm und Schweiß. »Agent Schuh?«
    Schläge, Hecheln, Schläge, Hecheln.
    »Agent Schuh? Ihre Sekretärin sagte, wir dürften raufkommen.«
    Das Schlagen hört auf, und es klingt, als klimpere eine Kette nach. Es quietscht. Dann erscheint Schuh im Flur und knipst das Licht an. Der kleine, gedrungene Mann trägt eine braune Bundfaltenhose und ein hellblaues Hemd, auf dem sich unter jedem Arm gänsebrustgroße Schweißflecken abzeichnen. Seine glänzende Stirn tupft er mit einem Handtuch ab, während seine Füße in schwarzen Frotteesocken aus der Hose stoßen.
    »Kommen Sie rein.«
    Er dreht sich um und geht in den Raum, aus dem das Klimpern und Quietschen ertönt ist. Wir folgen ihm. In dem Raum steht auf der rechten Seite ein Bett, das sich mit einer großen Schiebetür abtrennen lässt, und auf der linken ein Schreibtisch und ein Regal, dessen Böden nur halb so tief sind wie die Ordner darin. Es scheint, als balancierten sie alle exakt auf ihrem Kipppunkt. Zwischen ihnen ragen vereinzelt lose Papierbögen und Fetzen hervor. Der knappe Zwischenraum zwischen Regal und Decke wird von Pflanzen eingenommen, die in ihrer Not wild zur Seite und nach unten wachsen, wobei ich mich frage, wie sie das an so lichtarmer Stelle überhaupt zustande bringen. Zwei Meter neben dem Schreibtisch baumelt ein großer Boxsack von der Decke, der immer noch ausschwingt. Agent Schuh hat also in Bundfaltenhose und Bügelhemd ein Boxtraining absolviert. Er setzt sich hinter seinen Schreibtisch, zündet sich eine Zigarette an und trinkt Wasser aus einer Flasche, in die er beim Trinken Restqualm hineinbläst. Vor seinem Schreibtisch stehen zwei schwarze, mit Kratzern übersäte Klappstühle. Ein dritter lehnt an der Wand. Susanne nimmt ihn, dreht die Lehne nach vorne, setzt sich breitbeinig darauf, tippt durch den Zwischenraum zwischen Lehne und Sitz auf ihren Bauch und sagt: »Da ist ein Baby drin. Wenn es durch die schlechte Luft hier langfristige Lungenschäden erleidet, werde ich mich beim Moralministerium über Sie beschweren. Sie vermitteln Benachteiligte wegen der neuen Politik, Sie wissen, wie das läuft. Ich bin eine Frau, und Sie sind ein Mann. Meine Mutter hat mich allein großgezogen. Ich habe nie geraucht und gründe gerade eine grüne Firma. Sie mussten mir ein Leben lang Entschädigung zahlen.«
    Schuh zieht eine Schnute, drückt seine Zigarette aus, steht langsam

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