Feindfahrt
»Hat sich aus Corregidor verdrückt, nachdem
MacArthur schon abgezogen war. Dann ist er mit einem Logger beinahe
sechshundert Mei len bis Cagayan gesegelt und wurde mit einer der
letzten Ma schinen ausgeflogen. Wenn ich mich recht erinnere, war er
bei Midway einer der wenigen Überlebenden eines versenkten
Zerstörers , wurde von der Yorktown an Bord genommen und landete prompt ein zweites Mal im Bach.«
»Vorsicht, Jansen! Ihre Begeisterung geht
mit Ihnen durch! Und ich dachte immer, das gäbe es bei Ihnen
nicht, wenn von hohen Tieren die Rede ist.«
»Aber Reeve ist nicht bloß ein Admiral , Lieutenant, er ist auch der Kopf, der hinter einer ganz ausgezeichneten Seekriegsge schichte steckt. Mein Gott , Sir , dieser
Mann kann tatsächlich richtig lesen und schreiben!« Jansen
hielt ein Streichholz an seine Pfeife und sagte aus dem Mundwinkel:
»Eine ganz hüb sche Leistung für einen Marineoffizier , wie der Lieutenant zweifellos zugeben wird.«
»Jansen« , gab Jago zurück , »machen Sie , daß Sie rauskom men!« Jansen verschwand , doch als Jago sich umdrehte , m ußte
er feststellen, daß Matrose Petersen ebenfalls grinste.
»Sie auch, Mann - sofort raus! Ich übernehme.«
»Na klar, Lieutenant.«
Petersen ging hinaus, und Jago griff nach einer
weiteren Ziga rette. Jetzt zitterten seine Finger nicht mehr.
Draußen trommel te der Regen gegen die Scheiben. Das Kanonenboot
wurde von einer Woge hochgehoben, und Jago stellte zu seinem Erstaunen
fest, daß ihm dies alles tatsächlich Spaß machte -
trotz des ewig schmerzenden Rückens und der ständigen
Müdigkeit, die ihn vermutlich Jahre des Lebens kosten würde.
Harry Jago war fünfundzwanzig und wirkte sogar an einem guten Tag
um reichlich zehn Jahre älter, was allerdings kaum verwunderlich
war, wenn man seine Kriegslaufbahn betrachtete.
Er war im März 1941, als er sich zur Navy
gemeldet hatte, in Yale ausgeschieden und der 2. Schnellboot-Flottille,
der Squadron Two, gerade rechtzeitig für die Kämpfe um die Sa
lomoninseln zugeteilt worden. Die Schlacht um Guadalcanal dauerte sechs
Monate. Als sie begann, war Jago ein frischge backener, adretter
Leutnant gewesen, als sie endete, ein Ober leutnant zur See, dem man
das Navy Cross verpaßt und zwei Schiffe unterm Hintern
weggeschossen hatte.
Anschließend erhielt die Squadron Two einen
neuen Einsatzbe fehl und wurde auf dringendes Ersuchen des OSS (Office
of Strategie Services) nach England geschickt , um an der franzö sischen Küste amerikanische Agenten aufzunehmen. Abermals überlebte Harry Jago , dieses Mal im Kanal , die
ständigen Zu sammenstöße mit deutschen Schnellbooten
vor Cherbourg. Er überlebte sogar die Hölle des
Strandabschnitts Omaha bei der Invasion.
Das Glück verließ ihn erst am 28. Juni , als ein paar Schnell boote einen Konvoi amerikanischer Landungsfahrzeuge angrif fen , die in der Lyme Bay lagen und darauf warteten , daß
sie den Kanal überqueren konnten. Jago traf mit Depeschen aus
Portsmouth ein und sah sich plötzlich sechs der
gefährlichsten Kriegsschiffe gegenüber , die die deutsche Kriegsmarine auf bringen konnte. In einem wahnwitzigen Zehnminutengefecht versenkte er eines , beschädigte ein zweites , verlor fünf Mann von seiner Besatzung und fand sich schließlich im Wasser wie der , m it einem Granatsplitter in der linken Hüfte und einer bis auf den Knochen aufgerissenen rechten Wange.
Als er schließlich im August aus dem
Lazarett entlassen wurde, gab man ihm die Überlebenden seiner
alten Besatzung - neun Mann - sowie einen neuen Einsatzbefehl , der
ihm die so drin gend benötigte Erholung verschaffen sollte: als
»Postbote« für die verschiedenen amerikanischen und
britischen Seewettersta tionen und ähnlichen Einrichtungen auf den
Hebriden , und zwar mit einem Vorkriegs-Kanonenboot , das von der Royal Navy zur Verfügung gestellt wurde und sicher auseinanderbre chen würde , sobald er versuchen sollte , es auf mehr als zwan zig Knoten zu bringen. Einer seiner früheren Besitzer hatte den Namen Dead End am Bug anbringen lassen - eine Bezeich nung , die verschiedene Deutungen zuließ.
Höchstens ein bis zwei Monate, hatte ihm der Flottillenchef gesagt, Betrachten Sie es als eine Art Urlaub. Ich meine, da oben passiert doch wirklich nie was, Harry.
Wider Willen mußte Jago grinsen, und als
eine Regenbö gegen die Scheiben schlug, steigerte er die
Geschwindigkeit, obwohl das Ruder in seinen Händen bockte. Die See
war zu seinem Lebensinhalt geworden, war Brot
Weitere Kostenlose Bücher