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Feindfahrt

Feindfahrt

Titel: Feindfahrt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Higgins
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ich, heute morgen besonders dringend.«
Er lächelte bedächtig. »In zehn Minuten. Sie
können inzwischen ja mit dem Hund ein bißchen am Strand
Spazierengehen, sich die Grillen aus dem Kopf blasen lassen.«

    Die Öffnung der kleinen Bucht glich einem
Mahlstrom aus weißschäumendem Wasser; über das dahinter
liegende Riff brachen mit tosendem Donnern die Wogen herein,
schleuderten die Gischt dreißig Meter hoch in die Luft.
    Reeve trottete hinter dem Wolfshund her am Wasser
entlang und dachte an Murdoch Macleod. Zweiunddreißig Jahre lang
Bootsführer des Rettungsbootes von Fhada, schon bei Lebzei ten
Legende, ausgezeichnet mit der British Empire Medal vom alten
König George persönlich , sowie mit
fünf Silber- und zwei Goldmedaillen der Seerettungsgesellschaft
für Tapferkeit bei der Rettung Schiffbrüchiger. Im Jahre 1938 , als sein Sohn Do nald den Posten des Bootsführers übernahm , hatte er sich zur Ruhe gesetzt , nur um ein Jahr darauf den Dienst wieder aufzu nehmen , weil
Donald als Angehöriger der Royal Naval Reser ve eingezogen wurde.
Ein bewundernswerter Mann! Der Wolfshund begann wütend zu bellen.
Reeve spähte über den weiten Sandstreifen hin , der Traig Mhoire, »Marys Strand« , genannt wurde. Ungefähr zwanzig Meter von ihm entfernt lag ein Mann mit gelber Schwimmweste , i mmer wie der von Wellen überspült, mit dem Gesicht nach unten im Sand.
    Der Admiral setzte sich in Trab; er ließ
sich neben der Gestalt auf ein Knie nieder und drehte sie auf den
Rücken - mit einiger Mühe , denn sein
linker Arm war seit der Verwundung kaum noch zu gebrauchen. Es war ein
Junge von ungefähr achtzehn Jahren in Drillichzeug; die Augen
geschlossen , als schlafe er , das blonde Haar naß an den Schädel geklebt; ohne sichtbare Zeichen einer Verwundung.
    Reeve begann den Toten zu durchsuchen. In der
linken Brust tasche steckte eine Brieftasche aus Leder. Als er sie eben
öff nen wollte, kam Murdoch über den Strand gelaufen und ging
neben ihm auf die Knie. »Mußte doch sehen, wo Sie
stecken.« Mit dem Handrücken berührte er das bleiche
Gesicht. »Wie lange?« erkundigte sich Reeves.
    »Zehn bis zwölf Stunden höchstens. Was für einer ist es dies mal?«
    »Nach dem Drillichzeug zu urteilen , stammt er von einem
    deutschen U-Boot.« Reeve klappte die
Brieftasche auf und untersuchte ihren Inhalt. Er fand das Foto eines
jungen Mäd chens , ein paar Briefe und
einen derart vom Salzwasser durch tränkten Urlaubsschein,
daß er zu zerfallen drohte, als er ihn vorsichtig entfaltete.
    »Ist ja noch'n richtiges Kind!«
stellte Murdoch verwundert fest. »Müssen die denn nun schon
Schuljungen nehmen?« »Sind wahrscheinlich ebenso knapp an
Männern wie wir«, gab Reeve zurück. »Sein Name
war Hans Bleichrodt; er hat vor drei Wochen während seines Urlaubs
in Braunschweig seinen achtzehnten Geburtstag gefeiert und war
Funkgefreiter auf U 743.« Er schob die Papiere in die Brieftasche
zurück. »Wenn es das Boot heute morgen erwischt hat, werden
wir in den näch sten Tagen wohl noch mehr finden.«
    Murdoch bückte sich und lud sich den Toten
mit jener mühelo sen Kraft, die Reeve immer wieder frappierte, auf
die Schulter. »Dann woll'n wir ihn mal nach Mary's Town bringen,
Admi ral.«
    Reeve nickte. »Ja, am besten zu mir ins
Haus. Mrs. Sinclair kann ihn sich heute nachmittag ansehen und den
Totenschein für ihn ausstellen, und morgen können wir ihn
beerdigen.« »Die Kirche wäre ein angemessenerer Platz
für ihn, finde ich.« »Ich weiß nicht, ob das so
ratsam ist«, antwortete Reeve. »In diesem Krieg sind elf
Männer der Insel im Kampf gegen den Feind auf See geblieben. Ihre
Familien würden bestimmt nicht allzu glücklich darüber
sein, daß ein Deutscher in ihrem Got teshaus aufgebahrt
liegt.« Die Augen des Alten funkelten zor nig. »Und Sie
sind derselben Meinung?«
    »Aber nein!« entgegnete Reeve rasch.
»Lassen Sie mich bitte aus dem Spiel! Von mir aus bringen Sie den
Jungen hin, wohin Sie wollen. Ich glaube kaum, daß es ihm
allzuviel ausmachen wird.«
    »Aber dem Herrgott macht es vielleicht etwas aus«, meinte
    Murdoch mit leiser Stimme. In seinem Ton lag
keine Spur Vorwurf, obwohl er Laienprediger der Kirche von Schottland
und damit fast so etwas wie Geistlicher auf der Insel war. Zu diesem
Punkt der Insel führte kein Weg, denn es war nie mals einer
notwendig gewesen. Doch in den zwei Jahren, als die Marconi-Station
dort bestand, hatte die Telegrafengesell schaft das Gleis für eine
Schmalspurbahn

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