Feindfahrt
was soll
ich dagegen tun?«
»Nach Falmouth hineinfahren und Minen legen.«
»Das ist nicht Ihr Ernst!« Friemel
hielt den schriftlichen Befehl empor. »Von Dönitz
persönlich.«
Gericke lachte laut auf. »Das ist ja 'n
dicker Hund, Otto! Ein fach überwältigend schön in
seiner Idiotie, selbst für diese Schreibtischhengste in Kiel. Was
erwarten die eigentlich von mir - daß ich ihnen den Krieg mit
einem einzigen Handstreich gewinne?« Er schüttelte den Kopf.
»Die glauben wohl an den Weihnachtsmann. Jemand sollte denen mal
klarmachen, daß der Schneider Fliegen auf seinem Marmeladenbrot
meinte, als er damit prahlte, er hätte sieben auf einen Streich
geschafft.« »Ach, ich weiß nicht«, entgegnete
Friemel. »So schlimm ist es nun auch wieder nicht. Hier, zwischen
Pendennis Point und Black Rock liegt zwar ein Minengürtel und ein
Blockadeschiff, aber zwischen Black Rock und St. Anthony's Head ist nur
zeitweilig ein Netz gespannt. Das soll übrigens streng geheim
sein, anscheinend hat die Abwehr aber doch noch einen aktiven Agenten
in der Gegend von Falmouth.« »Der muß sich ziem lich
einsam vorkommen.«
»Da fahren ständig Schiffe hinein und
hinaus. Sie schließen sich einer Gruppe an, für die das Netz
geöffnet wird«. Sie le gen Ihre Eier hier oben in Carrick
Roads und quer durch den inneren Hafen und verschwinden.« Gericke
schüttelte den Kopf. »Unmöglich.«
»Warum?«
»Rein werden wir möglicherweise kommen, raus aber auf kei nen Fall.«
»Das ist bedauerlich, denn ich werde mit
Ihnen fahren. Kei neswegs aus Abenteuerlust, aber ich habe den Befehl,
mich oben in Kiel zu melden, und da die Landwege nach Deutsch land
abgeschnitten sind, bleibt mir nur noch die Möglichkeit, mit Ihnen
nach Bergen zu fahren.« Gericke zuckte die Achseln.
»Letzten Endes führen doch alle Wege in den Orkus.«
Friemel nahm sich eine von den französischen Zigaretten und schob
sie in seine Spitze. »In welchem Zustand ist Ihr Boot?«
»In der Biskaya wurden wir von einer Liberator beharkt. Der
Schaden ist nur oberflächlich, doch meine Maschinen müssen
dringend überholt werden. Vor allem brauchen sie neue Kugel
lager.«
»Unmöglich . Ich kann Ihnen vier bis fünf Tage geben, mehr nicht . Am neunzehnten müssen wir auslaufen . Ramcke sagt, er kann höchstens noch eine Woche halten.«
Die Tür ging auf, und der junge Leutnant trat ein. »Funkspruch von Kiel, Herr Kapitän . Äußerst dringend.«
Friemel nahm ihm das Blatt aus der Hand und
rückte seine Brille zurecht. Ein kleines, ironisches Lächeln
zuckte um seine Mundwinkel. »Sie werden's nicht glauben, Paul,
aber dies ist die Bestätigung meiner Beförderung zum
Konteradmiral mit Befehlsgewalt über sämtliche
Marineeinheiten der Region Brest. Man kann nur annehmen, daß sie
auf dem Dienstweg verzögert wurde.«
Der Leutnant reichte ihm ein weiteres Fernschreiben. Friemel las es mit ernster Miene und reichte es dann Gericke. Es lautete: Gratuliere von ganzem Herzen zur Beförderung und bin sicher, daß Sie und Ihre Männer lieber sterben, als dem Feind einen Zentimeter Boden überlassen werden. Adolf Hitler. Gericke gab das Blatt zurück: »Herzlichen Glückwunsch, Herr
Konteradmiral«, sagte er förmlich.
Ohne jede Gefühlsäußerung wandte
sich Friemel an den Leut nant. »Schicken Sie folgende Nachricht
nach Berlin: „Werde kämpfen bis zum letzten Mann. Lang lebe
der Führer." Das ist alles. Wegtreten.« Der junge Leutnant
zog sich zurück. »Ein verstanden?« erkundigte sich
Friemel.
»War das nicht Lütjens letzter Funkspruch , als die Bismarck unterging?«
»Genau« , bestätigte
Konteradmiral Otto Friemel. »Noch einen Schnaps, mein
Freund?« Er griff zur Flasche, dann seufzte er. »Schade!
Das war der letzte.«
Um 8.30 Uhr am folgenden Abend regnete es in
London immer noch stark, als die Ju 88 Pfadfinder der Gruppe I des KG
66, stationiert in Chartres und Rennes, zum erstenmal zuschlugen. Um
9.15 Uhr gab es in der Unfallstation des Guy's Hospital alle Hände
voll zu tun. Janet Munro stand bei zugezogenem Vorhang in der letzten
Kabine und machte einem jungen Hilfs feuerwehrmann siebenundzwanzig
Stiche in den rechten Ober schenkel. Er wirkte benommen und starrte
regungslos, eine kalte Zigarette im Mundwinkel, zur Decke.
Janets Assistent war ein Pfleger namens
Callaghan, ein weiß haariger Mann Ende Fünfzig, der im
Ersten Weltkrieg an der Westfront bei der Sanitätstruppe gedient
hatte. Er fand die jun ge amerikanische Ärztin in jeder
Weitere Kostenlose Bücher