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Feindfahrt

Feindfahrt

Titel: Feindfahrt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Higgins
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Kopf
voran zur Welt«, erklärte ihm Janet ruhig. »Dies ist
eine sogenannte Steißlage. Das bedeutet, daß es uns die
Kehrseite zeigt.« »Werden Sie das hinkriegen?«
    »Ich glaube schon, aber wir haben nicht
viel Zeit. Bitte, stellen Sie sich neben Ihre Frau, nehmen Sie ihre
Hand und sprechen Sie auf sie ein. Reden Sie irgendwas, nur hören
Sie unter kei nen Umständen auf.«
    »Soll ich Schwester Johnson holen?« erkundigte sich die junge Schwester.
    »Keine Zeit«, antwortete Janet.
»Ich brauche Sie hier.« Die Bomben fielen jetzt
ununterbrochen. Nach dem Geschrei in den Gängen zu urteilen, war
unter den vielen Menschen, die in der Allgemeinen Unfallstation auf
Behandlung warteten, Panik ausgebrochen. Janet atmetete tief durch,
versuchte den Alp traum da draußen zu ignorieren und
konzentrierte sich auf ihre Aufgabe.
    Zuerst mußte sie an die Beine des Kindes
kommen. Vorsichtig tastete sie im Leib der Frau umher, bis es ihr
gelang, den Fin ger hinter ein Knie des Kindes zu schieben. Sofort gab
das kleine Bein nach. Das gleiche geschah mit dem anderen Bein, als sie
die Prozedur wiederholte. Die Frau schrie auf. »Sagen Sie ihr,
daß sie pressen soll. Ganz fest pressen« , rief Janet dem Ehemann zu.
    Sekunden später waren die Beine zu sehen. Sie streckte die
    Hände aus , damit die junge Krankenschwester das Blut abwi schen konnte , dann
griff sie die Beinchen, Finger unter den Oberschenkel, und zog
kräftig, bis die Ansätze der winzigen Ärmchen in Sicht
kamen.
    Nun waren die Arme an der Reihe. Sie drehte das
Kind nach links, bis sich die Schulter bog, hakte einen Finger unter
den Ellbogen und brachte den linken Arm ans Licht. Draußen fielen
noch immer Bomben, jetzt allerdings wieder in größerer Ent
fernung. Sie holte auch den rechten Arm. Im Haus herrschte
schrecklicher Tumult, Menschen rannten den Korridor auf und ab, es roch
nach Rauch.
    Janet flüsterte der Schwester zu: »Bis
jetzt ist alles gutgegan gen. Nun kommt der Kopf.« Sie schob den
rechten Arm unter das Kind und griff mit dem Zeigefinger in den Mund;
dann suchte sie mit der Linken den richtigen Schultergriff und be gann
zu ziehen. Langsam , ganz langsam bewegte es
sich, aber die Kraft, die Janet bei diesem Griff anwenden mußte,
war so groß, daß ihr dicke Schweißtropfen auf die
Stirn traten. Gleich darauf aber war's geschafft , und das Kind lag in ihren Händen. Doch sie merkte sofort , daß es nicht atmete; das ganze Körperchen war blau.
    »Watte , rasch!« Die Schwester reichte ihr einen Bausch , und Janet säuberte dem Kind Mund und Nase. »Jetzt können Sie Schwester Johnson holen , wenn Sie Zeit hat. Oder Callaghan. Irgend jemanden , aber schnell.«
    Das junge Mädchen lief hinaus. Janet blies kräftig in den win zigen Mund , und auf einmal durchlief ein Zittern den kleinen Körper , das Kind holte hörbar Luft und begann laut zu schrei en.
    Als Janet aufblickte, sah sie, daß der junge Corporal sie ver zweifelt anstarrte.
    »Eine Tochter« , sagte
sie. »Falls es Sie interessiert.« Die Frau stöhnte
erstickt und wurde ohnmächtig. In diesem Augenblick wurde der
Vorhang aufgerissen , und Schwester Johnson
eilte herein. Janet reichte ihr das Baby. »Machen Sie weiter,
Schwe ster«, sagte sie. »Ich werde mich um die Mutter
kümmern.« Sie schob den Corporal beiseite und beugte sich
über die junge Frau.

    Erst einige Zeit später, als der
Bombenangriff vorüber war und sie auf der Veranda stand, um in
Ruhe eine Zigarette zu rau chen, spürte sie wieder die
Müdigkeit.
    »O Gott«, sagte sie leise,
»wird er denn niemals aufhören, die ser Krieg?« Auf
dem anderen Themse-Ufer bei Westminster loderten die Flammen, scharfer
Brandgeruch hing in der Luft. Hinter ihr wurde ganz kurz der
Verdunkelungsvorhang geteilt, und Callaghan trat rasch hindurch. Er
brachte einen amerikani schen Offizier mit.
    »Da sind Sie ja, Doktor!« sagte der
Pfleger. »Hab' Sie schon überall gesucht. Dieser Gentleman
hier fragt nach Ihnen.« »Colonel Brisingham, Ma'am.«
Er salutierte vorschriftsmäßig. Callaghan zog sich
zurück und ließ sie auf der schwach be leuchteten Veranda
allein.
    »Was kann ich für Sie tun,
Colonel?« erkundigte sich Janet. »General Eisenhower
möchte Sie sprechen, Ma'am. Wenn Sie ein paar Minuten Zeit
für ihn hätten.«
    Er brachte seine Einladung ruhig und sehr
höflich vor, Janet hatte jedoch plötzlich das Gefühl,
als bewegten sich die Wände der Veranda ganz langsam zuerst nach
innen und dann wieder nach außen. Sie taumelte

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