Feindfahrt
in den Arm genommen.
Aber er riß sich zusammen. »Kann ich Ihnen sonst noch was helfen?«
»Ja«, antwortete Schwester Angela. »Wir haben noch ein paar Kartoffeln, die könnten Sie schälen. Aber bitte draußen, ja?« Er nahm die Schüssel, auf die sie zeigte, ging hinaus und hockte sich an die Backbordreling. Dann zog er seinen Finnendolch , ließ die Klinge herausspringen und machte sich über die Kar toffeln her. Die meisten waren ziemlich verfault und hatten ellenlange Keime , aber er schälte sie , so gut es ging , und pfiff dabei fröhlich durch die Zähne. Nach einer Weile erschien Ma ria , in der Hand einen Eimer mit Abfall. Sofort sprang er auf , nahm ihr den Eimer ab und leerte ihn über Bord. Als er ihn ihr zurückreichte, berührten sich flüchtig ihre Hände, und Maria lächelte ihn zärtlich an. Zum Zeichen seiner Liebe hatte er ihr seinen Siegelring geschenkt. Da sie ihn vorerst jedoch nicht tragen konnte , hatte sie ihn in ihrer Koje unter einer Matrat zendecke versteckt.
»Wird alles gutgehen , Helmut?« fragte sie. »Werden wir durchkommen?«
»Aber natürlich werden wir durchkommen. Warum fragst du?« »Wegen Kapitän Berger. Da war so was in seiner Stimme. Ich
kann es nicht richtig erklären.«
»Unsinn! Er ist nur abgespannt. Das sind wir alle. Es war eine verdammt schwere Fahrt.« Er nahm ihre Hand. »Du brauchst dir keine Sorgen zu machen.« Sie lächelte. »Und wenn wir in Kiel sind?«
»Ich werde dich nie allein lassen , das verspreche ich dir. Von nun an kann uns nichts mehr trennen. Ich schwöre es , so wahr mir Gott helfe.« Sie lächelte herzlich. »Dann ist alles andere unwichtig«, sagte sie und kehrte in die Kombüse zurück.
Janet spähte von der Brücke der Dead End in den Hafen hin aus. »Wenn ich fort bin, vergesse ich immer wieder, wieviel Regen es hier oben gibt.«
»Es regnet fünf Tage in der Woche«, bestätigte Jago. Jansen kam mit einer Tasse Kaffee in jeder Hand. »Eben ist unser Einsatzbefehl gekommen, Sir, Stornoway, im frühen Licht der Dämmerung.« Jago, der Janets verwunderte Miene sah, erklärte lachend: »So redet er immer. Nur in Zitaten.«
»Eine wohlbekannte Krankheit«, ergänzte Jansen. »Man be zeichnet sie als Bildung.«
Ein seetüchtiges Motorboot kam um die Pierspitze und lief in die Hafeneinfahrt ein. Janet beugte sich neugierig vor. »Ich glaube, das ist die Ka trina . Ja, ich bin ganz sicher.«
»Dann werde ich Bescheid sagen, daß Sie hier sind«, sagte
Jansen. Er ging hinaus. Janet wandte sich zu Jago um. »Nun,
Harry - das ist wohl das Ende.«
»Oder der Anfang.«
»Das gefällt mir so an dir , Liebling. Du bist der letzte große Romantiker , und das ist eine Eigenschaft , die man heutzutage nur noch selten findet.«
Trotz der Verdunkelung war es auf der Pier erstaunlich hell. Ein Ladekran war in Aktion , angetrieben von einem Dieselmo tor , der dumpf tuckerte , eine Gruppe Matrosen lud Ölfässer von einem Leichter auf zwei große Lastwagen.
So hatte Gericke , der sich vorsichtig im Schatten hielt, wenig stens Gelegenheit, sich ein Bild von der allgemeinen Lage zu machen. Da ankerte ein altes Kanonenboot, offenbar aus der Zeit vor dem Krieg, mit ein paar Seeleuten an Deck. Nach ih ren Mützen zu urteilen, Amerikaner. Hinter dem Kanonenboot lag ein Küstenmotorschiff, ein Acht- bis Neunhunderttonner mit nur einem Schornstein, sowie eine Anzahl Fischerboote. Und ungefähr zwanzig Meter weiter entdeckte er im matter werdenden Lichtschein den vagen Umriß eines seetüchtigen Motorboots. Er sah auf seine Armbanduhr. Kurz vor neun. Die Matrosen konnten ja schließlich nicht die ganze Nacht arbeiten. Zumindest hoffte Gericke das, denn unter den zur Zeit auf der Pier herrschenden Umständen wäre jeder Versuch, dieses Mo torboot zu erreichen, von vornherein zum Scheitern verurteilt. Er brauchte einen Unterschlupf, in dem er drei bis vier Stunden ungestört warten konnte, möglichst mit einem Dach über dem Kopf, denn es sah nicht so aus, als werde der Regen in abseh barer Zeit nachlassen. Drüben, an der Seite, waren auf einem verhältnismäßig kleinen Platz sechs Marinelastwagen abge stellt, einer mit dem Kühler am Heck des anderen. Vorsichtig kundschaftete er die Umgebung aus, aber es schien keine Wachtposten zu geben, vermutlich weil die Wagen leer waren. Er kletterte über die Ladeklappe des einen, machte es sich, so gut es ging, auf dem Boden bequem und wartete.
Janet saß mit Harry Jago in einer Ecke des Bahnhofshotels, als
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