Feindfahrt
der anderen Seite der Insel am South Inlet, und Murdoch hat dort auch seine Wohnung.«
»Das verstehe ich aber nicht«, sagte Gericke. »Warum nicht hier?«
»Weil sich die See bei wirklich schlechtem Wetter vor der Ha
fenbarre so staut, daß kein Mensch mehr raus kommt. Und vom
South Inlet aus ist es viel einfacher.«
»Ist das immer so?«
»Nein. Ein- oder zweimal im Jahr ist es auch absolut unmög lich, vom South Inlet auszulaufen.«
»Was passiert, wenn dann ein Notruf kommt?« »Dann gibt es noch die Station auf Barra.«
»Und Sie, Lachlan - waren Sie auch Mitglied der Rettungs bootsbesatzung, bevor Sie eingezogen wurden?«
»Ich doch nicht, mit meinem Magen!« antwortete Lachlan kopfschüttelnd. »Aber mein Vater war mit dabei.«
Er senkte den Kopf, und Gericke, der nichts darauf zu sagen wußte, stand da, beide Hände an den Gitterstäben, und schwieg ebenfalls. Die Außentür wurde geöffnet. »Jemand zu Hause?« Es war Janet. Sie trug einen Lammfellmantel, Tweedrock, kniehohe Stiefel und die typische Wollmütze der Schotten. »Na, war er brav, Lachlan?«
»Bleibt mir ja nichts anderes übrig«, antwortete Gericke. »Die
ser junge Held hier hat die ganze Nacht mit dem Gewehr auf den Knien da drüben an der Wand gesessen und mich be wacht.«
Sie reichte ihm ein Päckchen Zigaretten und ein paar Zeit schriften durchs Gitter. »Damit die Zeit schneller vergeht.« »Kann ja jetzt nicht mehr lange dauern«, entgegnete er. »Lieu tenant Jago kommt mich um zwölf Uhr abholen, nicht wahr?« »Er liegt mit Maschinenschaden in Stornoway fest. Kann also frühestens heute abend hier sein, möglicherweise auch erst morgen.« Er sah sie durch das Gitter an, als warte er auf irgend etwas. Unvermittelt wurde sie verlegen, ärgerte sich über sich selbst, weil sie so spontan hierhergekommen war.
»Ich muß gehen. Hab' noch eine Menge zu tun.«
»Vielen Dank«, sagte Gericke ernst und hielt die Zeitschriften hoch. »Dafür - und für vieles andere.« Sie drehte sich um und ging rasch davon.
Im Nachrichtenraum von Trondheim marschierte Necker auf und ab, mißgelaunt eine Zigarette rauchend. Er trug noch seine Fliegerpelzkombination , sein Gesicht war schweiß- und schmutzverschmiert. Altrogge , der am Schreibtisch saß, blickte von dem Bericht auf, an dem er schrieb.
»Damit machen Sie auch nichts besser. Kommen Sie, Horst, setzen Sie sich. Trinken Sie lieber einen Kaffee.«
Er griff nach der Kanne auf dem Tablett rechts neben ihm, aber Necker schüttelte den Kopf.
»Nein, danke.« Und dann machte er sich plötzlich Luft. »Was sollen diese Verzögerungen? Was, zum Teufel, wird hier ei gentlich gespielt?«
»Der Gruppenkommandeur hat die Sache persönlich in die Hand genommen, das wissen Sie doch; unter den gegebenen Umständen kommt es unweigerlich zu Verzögerungen auf dem Dienstweg. Sie müssen Geduld haben.« Er lehnte sich zurück und setzte behutsam hinzu: »Ich fürchte, Sie müssen sich auf
eine ziemlich dicke Zigarre gefaßt machen.« Necker blieb stehen. »Was sagen Sie da?«
»Sie haben Ihre Befehle nicht befolgt, Horst. Sie haben eigen mächtig gehandelt.«
Necker starrte ihn offenen Mundes an. »Ich habe meine Befeh le nicht befolgt? Mann Gottes, was sollte ich denn sonst tun?« Die Tür ging auf, und Maier kam mit mehreren Fernschreiben. Seine Miene war ernst. »Ich habe mich mit der Kriegsmarine in Kiel in Verbindung gesetzt; die Meldung ist sofort an Dönitz weitergegeben worden. Ich habe einen Funkspruch bekommen, in dem man mir den Empfang bestätigt und sich für die Infor mationen bedankt.« »Ist das alles?«
»Nein, es ist noch ein zweites FT gekommen. Darin drückt man sein äußerstes Befremden über das Ausbleiben von Infor mationen über die Position des Halifax-Konvois aus.« »Interessiert mich nicht«, entschied Necker. »Was ist mit der Deutschland?«
Maier hockte sich auf die Schreibtischkante und nahm sich eine Zigarette. »Man weiß aufgrund geheimer Informations quellen aus Argentinien genauestens über sie Bescheid. Sie ist vor einigen Wochen mit einer Besatzung von Angehörigen der Kriegsmarine unter einem Fregattenkapitän Berger von Brasili en ausgelaufen. Außerdem hat sie Zivilisten an Bord - Nonnen, soweit ich gehört habe.«
»Nicht zu fassen!« Necker staunte. »Mit einem solchen Schiff von einem Ende des Atlantiks zum anderen zu segeln , und das direkt vor der Nase der britischen und amerikanischen Navy! Das wird ganz Deutschland in Begeisterung versetzen.«
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