Feist Raymond - Die Erben von Midkemia 1
Talon fragte: »Werden sie das Gasthaus angreifen?«
»Wahrscheinlich nicht«, antwortete Caleb. »Sie halten uns
nicht für eine große Gefahr, und sie haben nicht genug Zeit,
uns zu belagern.«
Robert sagte: »Außerdem ist weithin bekannt, dass wir
über mehr Mittel verfügen, als man auf den ersten Blick sehen kann. Ich nehme an, Kaspar wird uns in Ruhe lassen,
während er weiteres Blutvergießen unter Unschuldigen anrichtet.«
»Und was werden wir tun?«, fragte Talon.
»Nun, wir werden hier bleiben«, erklärte Robert. »Latagore
kann sich um sich selbst kümmern. Es ist nicht wichtig, ob
dort Kaspars Freunde oder der Dominar die Macht innehaben.
Wichtig ist, dass wir mit unseren eigenen …« Er hielt gerade
noch rechtzeitig inne und sagte zu Talon: »Du kannst jetzt
gehen. Sieh nach, ob Leo Hilfe braucht.«
Talon zögerte, dann stand er auf und verließ den Raum.
Als er in die Küche kam, fragte Meggie: »Um was ging es
da eigentlich?«
Talon hatte das Gefühl, einer auserwählten Gruppe anzugehören, deren Informationen er nicht einfach weitergeben
durfte, und sagte nur: »Das darf ich dir nicht verraten.« Er
erwartete eine Reaktion von dem Mädchen, aber Meggie
zuckte nur die Achseln, als wären Geheimnisse nichts Neues
für sie, also fragte er: »Gibt es etwas für mich zu tun?«
»Wir sind beinahe fertig«, antwortete sie. »Du kannst den
Eimer raustragen und auskippen.«
Talon griff nach dem Eimer, auf den sie gezeigt hatte, dann
sagte er: »Ich habe Lela noch gar nicht gesehen. Wo steckt sie
denn?«
Meggie wurde plötzlich nervös. »Das habe ich ja versucht
dir zu sagen, als du hier vor einer Weile durchgerauscht bist.
Lela ist nicht da.«
»Wo ist sie denn?«
Meggie senkte den Blick, als wollte sie ihm nicht in die
Augen sehen. »Weg. Sie ist gestern mit Graf Ramon DeBarges’ Gefolge abgereist. Der Graf und seine Leute sind vor
zwei Tagen hier aufgetaucht, und als sie wieder nach Süden
zogen, ist Lela mitgegangen.«
Talon wusste nicht, was er sagen sollte. Er trug den Eimer
nach draußen und kippte den Inhalt in einen Graben an der
Mauer. Er hielt einen Augenblick inne, um zu lauschen, wie
sich die Geräusche im Wald veränderten, während es langsam
dunkler wurde. Er genoss die Geräusche der Nachttiere, die
ihm so vertraut waren und so anders als das, was er in der
Stadt gehört hatte. Als er zurückkehrte, fragte er: »Und wo
sind Lars und Gibbs?«
»Die sind ebenfalls mitgegangen.« Mit einem schüchternen
Lächeln fügte sie hinzu: »Ich fürchte, eine Weile werden wir
beide hier allein sein, Talon.«
Talon sah das Mädchen an und war plötzlich verwirrt.
Sie kokettierte mit ihm, so wie sie es mit Lars gemacht hatte, wenn sie sich gerade nicht gestritten hatten. Aber Lela
war weg! Er hatte geglaubt, in Lela verliebt zu sein, bis
Caleb ihm gesagt hatte, dass er mit ihr geschlafen hätte,
ebenso wie Lars und Gibbs. Nun wandte das Mädchen, das
er als Lars’ Frau betrachtet hatte, ihm seine Aufmerksamkeit zu.
Plötzlich war er sehr müde. Die Anspannung der Reise, der
Zorn beim Anblick der Männer, die für den Tod seiner Familie verantwortlich waren, das Wissen, dass sie nach Norden
zurückkehrten, und nun seine Verwirrung über die seltsamen
Spiele, in die Robert und die anderen verwickelt waren, all
das forderte seinen Preis.
In diesem Augenblick erklang ein seltsames Ploppen von
draußen, gefolgt von einem Zischen wie von einem Kugelblitz, der über eine weit entfernte Wiese rollt.
Meggie rief: »Magnus ist da!«
Bevor Talon noch fragen konnte, woher sie das wusste,
wurde die Küchentür weit aufgerissen, und der weißhaarige
Mann kam herein. Er sah sich in der Küche um und machte
sich dann ohne ein Wort auf den Weg in den Schankraum.
»Ich dachte, er wäre unterwegs, um seine Verwandten zu
besuchen«, sagte Talon.
Meggie beugte sich vor. »Hast du es denn immer noch
nicht begriffen? Magnus und Robert sind Magier! Sie können
von einem Augenblick auf den anderen auftauchen oder verschwinden, wie es ihnen gerade passt.«
Talon erinnerte sich an sein Gespräch mit Caleb, das seinen Verdacht bestätigt hatte, und fühlte sich ein wenig unbehaglich. Diese Sache mit der Magie war noch etwas, das Robert ihm bewusst verschwiegen hatte, noch etwas, das er allein hatte herausfinden müssen.
Leo und Martha bereiteten eine kleine Mahlzeit für die vier
vor, dann brachte Leo den anderen ihr Essen in den Schankraum. Sie aßen in relativem Schweigen; nur Leo und Martha
fragten Talon hin und wieder
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