Feist Raymond - Die Erben von Midkemia 4
Tisch schlagen, aber sie gewannen häufig, und die Einsätze waren
viel höher als normalerweise, also hatten sie gegen Ende
des Abends für gewöhnlich mehr Geld als alle anderen.
Tal hätte ihnen gerne eine Lektion erteilt, aber er hatte an
diesem Abend andere Sorgen.
Tal war der Sohn eines Stammesführers und schon
früh in die Intrigen des Konklaves der Schatten verwikkelt worden. Zu den vielen nützlichen Dingen, die er in
seiner Jugend gelernt hatte, gehörte auch das Betrügen
beim Kartenspiel. Seine Fähigkeiten waren sowohl
schwer geprüft als auch geschliffen worden, wenn er mit
Nakor, Kaspar und Amafi Poker spielte – sie waren alle
geschickte Betrüger. Ein Spiel war zu einem wahren Betrugswettbewerb ausgeufert, ein Blatt wahnwitziger als
das nächste. Sie hatten große Mengen Wein getrunken,
und das Spiel hatte erst ein Ende gefunden, nachdem drei
zusätzliche Könige aufgetaucht waren.
Tal spielte an diesem Abend mittelmäßig, gewann gerade genug, um keine größeren Verluste zu erleiden, und
verlor genügend, um niemandem aufzufallen. Schließlich
entschuldigte er sich, sagte: »Ich brauche ein wenig frische Luft«, und winkte seinen Diener zu sich.
Sie gingen in den Garten, angeblich, um sich die Füße
zu vertreten, aber Tal wollte sich rasch noch einmal die
Umgebung ansehen. Als sie allein waren, fragte Amafi:
»Beunruhigt Euch etwas, Euer Wohlgeboren?« Er
sprach Roldemisch, was die Wahrscheinlichkeit, belauscht zu werden, ein wenig verringerte.
»Vieles beunruhigt mich, Amafi.«
»Aber doch sicher nicht diese beiden Jungen?«
»Nein. Ich kann mich jetzt nicht damit befassen, aber
ich fürchte, irgendwer wird ihnen schon eine Lektion
erteilen.« Tal blickte sich im Garten um. »Es sieht so aus,
als würden unsere Feinde sehr sorgfältig auswählen, wen
sie umbringen und wo. Aber warum sollten sie jetzt hier
auftauchen …« Er sah sich im Garten um und machte
eine weit ausgreifende Geste, die auch das Gebäude hinter ihnen einschloss. »In diesem Palast?« Er starrte die
Stadt unter ihnen an und sagte: »Es muss zwanzig oder
mehr Privatzimmer im oberen Stockwerk geben, also
wissen wir nicht einmal, wo der Prinz sich aufhalten
wird.« Er sah Amafi an. »Das hier war einmal dein
Handwerk. Würdest du versuchen, an diesem Ort ein
Mitglied der herrschenden Familie zu töten?«
»Nein«, antwortete Amafi, »aber ich habe immer den
Schatten der Verwirrung vorgezogen.«
»Ich bin nicht sicher, ob ich dir folgen kann«, sagte
Tal.
Der ehemalige Attentäter nahm seinen Herrn am Ellbogen und drehte ihn langsam so, dass er dem Gebäude
gegenüberstand. Tal sah ein Bild vor sich, das an eine
Theaterbühne erinnerte, denn vom Garten aus konnte
man praktisch das gesamte Erdgeschoss des Hauses sehen. Von den Eingängen zu Küchen und Toiletten einmal
abgesehen, war es nur ein einziger großer Raum.
Amafi sagte: »Alle sind deutlich zu sehen, und das ist
gut so. Sollte jemand nach oben gehen wollen, müssen
sie dort hereinkommen.« Er zeigte auf den Haupteingang. »Es gibt nur einen Zugang zu den oberen Räumen,
die Treppe an der rechten Wand. Ich habe dieses Monument erstaunlicher Habgier noch nicht ausführlich studiert, Euer Wohlgeboren, aber ich kann keine anderen
Ausgänge entdecken. Es gibt vielleicht einen vom Keller
zur Straße, aber das ist unwichtig, denn alle, die ihn benutzen wollten, müssten zuvor ebenfalls durch diesen
Raum gehen.«
»Es ist also eine gute Wahl?«
Amafi zuckte die Achseln. »Wenn man tötet, muss
man danach sofort verschwinden. Es darf kein Zögern
geben, oder die Gefahr, dass man erwischt wird, wird
erheblich größer. Ich ziehe Schatten vor. Ich ziehe es vor,
schon weit von meinen Opfern entfernt zu sein, wenn sie
kalt werden, vom Gefundenwerden ganz zu schweigen.
Andere verwischen ihre Spuren lieber im Chaos.« Amafi
blickte sich im Garten um. »Wenn ich gezwungen wäre,
jemanden da drin zu töten, würde ich mich irgendwo verstecken … am besten hier, im Garten. In der Verwirrung,
die auf den Tod von jemandem folgt, würde ich dann von
dort verschwinden.«
Tal versuchte, nicht zu sehr aufzufallen, als er sich erneut umdrehte, um die Umgebung zu betrachten. Der
Garten war rechteckig, und es gab einen rechteckigen
Teich in der Mitte. Niedrige Hecken zogen sich an den
Seiten entlang, und schmale Pfade brachten Spaziergänger zu Stellen, wo sie über die Stadt hinaus und hinunter
zum Ufer des Overnsees schauen konnten. Außerdem
gab es noch ein
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