Feist Raymond - Die Erben von Midkemia 4
Trinken in Gedanken versunken, aber er hat in der
vergangenen Stunde seinen Becher nicht neu aufgefüllt.
Zwei Kurtisanen schlendern durch die Halle, aber ich
habe zweimal gesehen, wie sie wohlhabende Männer
abwiesen, die ihre Gesellschaft suchten.« Er warf einen
Blick auf den zweiten Ausgang auf der anderen Seite des
Raums. »Und jemand verstellt auch den Weg, falls jemand sich entschließen sollte, den schmalen Pfad nach
hinten zu nehmen.«
»Und wenn irgendjemand befürchten sollte, dass du
die Strickleiter der Gärtner bereitgelegt hast, würde die
wohl auch bewacht, glaube ich.«
»Ist es eine Falle?«
»Ich glaube schon«, antwortete Tal.
»Für uns?«
»Es wäre dumm, etwas anderes anzunehmen.«
»Das Gerücht von der Anwesenheit des Prinzen und
dem möglichen Attentatsversuch war also nur ein Köder?«
Tal nickte. »Wenn ich also das Ziel wäre und nicht der
Prinz, was würdest du tun?«
Amafi sah sich um und betrachtete den Raum mit neuen Augen. »Direkt in der Öffentlichkeit anzugreifen ist
unmöglich, Euer Wohlgeboren. Und es wäre auch niemand dumm genug, einen Sieger vom Hof der Meister
mit der Klinge herauszufordern. Selbst wenn ich drei
Schwertkämpfer schickte, würdet Ihr sie schlagen, es sei
denn, sie wären sehr, sehr gut. Aber ich möchte keine
drei anderen wissen lassen, wen ich töten will … es sei
denn, die drei anderen gehören zur Familie.«
»Nachtgreifer.«
Amafi nickte. Er beobachtete die beiden jungen Frauen und sagte: »Ich nehme an, diese beiden sind keine
Nachtgreifer. Ich würde sie einfach dafür bezahlen, dass
sie Euch nach oben in ein ruhiges Zimmer locken, wo
hinter einem Vorhang ein Dolch auf Euch wartet. Oder
ich würde sie überreden, Euch hier zu behalten, bis eine
andere Person eingetroffen ist.« Er zuckte die Achseln.
»Was die Art und Weise Eures Todes anginge, würde ich
es vorziehen, vor der Haustür im Schatten zu warten und
mein Glück damit zu versuchen, Euch von hinten anzugreifen, bevor Ihr Euer berühmtes Schwert ziehen
könnt.«
Tal lächelte. »Wenn ich mich recht erinnere, haben
wir uns auf diese Weise kennen gelernt.«
»Ich hatte nicht vor, Euch zu töten, Euer Wohlgeboren, ich wollte nur in Eure Dienste treten. Hätte ich Euch
umbringen wollen, wäre ich wahrscheinlich vorsichtiger
gewesen.«
»Das mag sein, aber was ist mit heute Abend? Chaos
oder Schatten?«
Amafi sah sich erneut um und lachte dabei, als hätte
Tal etwas Komisches gesagt. »Ich weiß es nicht. Wenn
heute Abend mehr Leute hier wären, Chaos. Aber es sind
immer noch zu viele für Schatten.«
»Also glaubst du, dass ich sicher bin, bis wir gehen?«
»Das vermute ich, Euer Wohlgeboren, aber ich würde
an Eurer Stelle trotzdem aufpassen und besonders vorsichtig sein, wenn Ihr die Toilette aufsuchen müsst.«
»Mit durchgeschnittener Kehle zu enden, wenn man
sich gerade erleichtert, wäre ein besonders würdeloser
Tod.«
»Es ist schon vorgekommen.«
»Der Mann, der den Weg nach hinten bewacht, ist das
ein Nachtgreifer oder nur ein Helfer?«
»Das ist schwer zu sagen, Euer Wohlgeboren«, erwiderte Amafi. »Sie haben dort sicher niemanden aufgestellt, der Euch angreifen soll, eher jemanden, der den
anderen signalisiert, dass Ihr einen anderen Weg genommen habt … Ich würde sagen, ein Helfer.«
»Und wem signalisiert er?«
»Bestimmt nicht den beiden Mädchen«, antwortete
Amafi. »Kehrt an die Tische zurück, und ich werde versuchen herauszufinden, mit wem dieser Mann zusammenarbeitet.«
Tal nickte und setzte sich an einen Tisch, an dem er
noch nicht gespielt hatte, denn er hatte genug davon, die
betrügerischen Brüder zu beobachten und so zu tun, als
ärgerten sie ihn nicht. An diesem neuen Tisch fand er
zwei Kaufleute aus dem Süden und einen unwichtigeren
Palastbeamten, die bescheidene Summen an zwei Reisende aus dem Königreich verloren.
Dennoch, die Herren an diesem Tisch waren zuvorkommend. Als man sich einander vorgestellt hatte, verliehen die beiden Reisenden ihrem Interesse an Tals Beziehung zu Personen Ausdruck, die er vielleicht in Yabon
kannte.
Tal wehrte ihre Fragen ab, indem er erklärte, er sei
zwar ein Hofbaron in Yabon, habe aber die meiste Zeit
damit verbracht, zu reisen und im Osten zu leben, besonders in Roldem. Das führte dazu, dass einer der Männer
erkannte, dass er einen ehemaligen Sieger des Turniers
am Hof der Meister vor sich hatte, was wiederum zu
ebenso langweiligen Gesprächen für Tal führte, aber zumindest brauchte er keine weiteren Nachforschungen
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