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Feist Raymond - Die Erben von Midkemia 4

Feist Raymond - Die Erben von Midkemia 4

Titel: Feist Raymond - Die Erben von Midkemia 4 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Flug der Nachtfalken
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einer Gasse begeben, die in eines der unangenehmeren Stadtviertel führte.
    Er hatte dort beinahe eine Stunde im Schatten gelauert,
bevor derjenige erschien, auf den er gewartet hatte: ein
Junge, aber nicht zu jung, er wollte kein Kind, sondern
nur einen jugendlichen, unerfahrenen Bettler.
    Als der Junge an ihm vorbeikam, streckte Caleb die
Hand aus und packte ihn am Kragen. Er zog den Jungen
nach hinten und hätte ihn beinahe verloren, weil dieser
versuchte, sich aus seinem Hemd zu winden. Caleb
brachte ihn schließlich zum Stolpern und stellte den Stiefel auf seine Brust.
    Der Junge war mager, hatte schwarzes Haar und dunkle Augen, und seine Haut hätte kakaobraun sein können,
aber es war bei all dem Dreck auf seinem Gesicht schwer
zu sagen. Er trug ein schlichtes graues Hemd und graue
Hosen, die zu dem Dreck passten, und seine Füße waren
nackt.
»Gnade, Herr!«, rief er. »Ich habe nichts getan.«
    »Nein«, sagte Caleb, »und ich werde dir auch nichts
tun, wenn du mir einen Gefallen tust.«
»Sagt, was Ihr möchtet, Herr, und es wird geschehen.«
»Woher weiß ich, dass du nicht davonrennen wirst,
sobald ich den Stiefel hebe?«
»Ich schwöre es bei allen Göttern, Herr, und bei meiner Großmutter, gesegnet möge sie sein, und im Namen
des Kaisers, gesegnet möge er sein!«
Caleb nahm eine Münze aus der Tasche und hielt sie
hoch. Der Gesichtsausdruck des Jungen zeigte sofort keinen Schrecken mehr, sondern nur noch Gier. Caleb nahm
den Fuß weg, und der Junge sprang auf. Er griff nach der
Münze, aber Caleb zog sie weg. »Nachdem du mir gedient hast.«
»Herr, wie soll ich wissen, dass ich belohnt werde,
wenn die Arbeit getan ist?«
»Soll ich bei meiner Großmutter schwören?«, fragte
Caleb.
»Nein, selbstverständlich nicht – «
»Dann widersprich mir nicht, kleiner Lord der Läuse«,
entgegnete Caleb auf Keshianisch. »Wenn du nicht tust,
was ich will, wird ein anderer es tun und gut dafür bezahlt werden.« Er wusste, dass diese eine Goldmünze
mehr war, als der Junge in einem halben Jahr stehlen
oder erbetteln konnte.
»Was soll ich tun?«
»Wie heißt du?«
»Shabeer, Herr, wenn es Euch gefällt.«
»Also geh, Shabeer, und überbringe eine Botschaft für
mich, und dann kehre mit der Antwort hierher zurück.«
»Und wenn die Antwort Euch nicht erfreut, Herr?«
»Dann wirst du dennoch bezahlt.«
»Wie lautet die Botschaft, und wem soll ich sie überbringen?«
»Ich muss mit dem reden, der für die Lumpenbrüder
spricht. Ich muss mit dem reden, der im Namen der Diebe und Bettler von Kesh einen Handel abschließen kann.
Es steht viel Gold auf dem Spiel, aber es ist auch gefährlich.«
»Es gibt jemanden, an den man sich wendet, wenn es
um Gold und Gefahr geht, Herr.«
»Dann geh sofort dorthin, und ich werde hier bleiben,
aber wisse, dass ich mächtige Freunde habe. Verrat wird
dir den Tod bringen, treuer Dienst Gold.«
»Ich höre und gehorche, Herr«, sagte der Junge und
eilte davon.
Caleb trat wieder in den Schatten und wartete.

Siebzehn
Erkundung
Tal schlich lautlos durch den Abwasserkanal.
    Er zweifelte nicht an der Echtheit der Botschaft, die er
zuvor von Caleb erhalten hatte, und war erleichtert gewesen zu hören, dass Pugs Sohn noch lebte. Caleb hatte
auch Kaspar benachrichtigt, und nun sollten sie sich treffen.
    Tals einzige Sorge war der Ort dieses Treffens. Er
folgte einem schmutzigen Bettlerjungen namens Shabeer
durch einen Fluss von stinkenden Abwässern direkt unter
dem Schlachthausviertel von Kesh. »Meine Augen tränen«, sagte er.
    »Tatsächlich, Herr?«, fragte der Junge, der fürchtete,
wenn irgendetwas auf diesem Weg schief ginge, würde
man ihm die Schuld geben. Der andere ausländische Herr
war unvorstellbar großzügig gewesen, und der Bettlerjunge wollte unbedingt, dass er mit seiner Arbeit zufrieden war.
»Nein, das war übertrieben.«
     
»Ihr werdet Euch daran gewöhnen, Herr«, sagte der
    Junge.
»Wie lange braucht man dazu?«
»Ein Jahr oder vielleicht zwei.«
    Tal hätte gelacht, aber er war bemüht, nicht zu tief zu
atmen. Er war im Lauf der Jahre an einigen Orten gewesen, die er, was den Gestank anging, für unvergleichlich
hielt – Kaspars Gefängnis, bekannt als die Festung der
Verzweiflung, lag dabei an erster Stelle –, aber nichts
hätte ihn auf den überwältigenden Gestank dieses keshianischen Abflusssystems vorbereiten können.
    Er verstand die Gründe für die Auswahl dieses Treffpunkts – die Schlachthäuser, Gerbereien und

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