Feist Raymond - Die Erben von Midkemia 4
sich das Königreich alle Zeit der Welt damit ließ, in
Opardum herumzuschlendern? Und glaubt nicht, dass ich
nichts davon wusste, dass man Euch auf die Rückseite
der Welt verbannt hat, aber hier seid Ihr nun, weniger als
drei Jahre später, und Ihr seid nicht in Lumpen eingetroffen. Ihr hattet Mittel, Kaspar, und die besten gefälschten
Dokumente, die ich je gesehen habe – ja, ich habe sie mir
aus Beys Büro holen lassen und genau betrachtet. Es
würde mich nicht überraschen, wenn der Prinz von
Krondor und Herzog Erik sie Euch beschafft hätten. Ich
weiß, dass Ihr aus einem Grund hier seid, und was ich
hören möchte, ist, wird dieser Grund die Dinge in Kesh
besser oder schlechter machen?«
Kaspar lehnte sich zurück. »Ich hoffe, die Dinge besser zu machen, Majestät.« Er beugte sich vor. »Ihr habt
Recht, ich diene Männern, die dafür sorgen wollen, dass
eine gefährliche Situation gut ausgeht.«
»Geht es um diesen verrückten Magier Varen?«
»Jetzt bin ich wirklich beeindruckt.«
Der Kaiser beugte sich ebenfalls vor. »Bei all den
Spionen, die sich dieser Tage in Kesh herumtreiben, arbeiten tatsächlich auch ein paar für mich.« Er lehnte sich
wieder zurück. »Wir hatten von Zeit zu Zeit einen Verdacht, aber Eure Ankunft hat mich überzeugt. Die Berichte aus Opardum sagten, dass er durch die Hand von
Talwin Hawkins starb – das war übrigens das Einzige,
was mich ehrlich überraschte: Eure gemeinsame Ankunft
hier.«
»Wir sind zu einer Übereinkunft gelangt.«
»Jedenfalls, ich erhielt Berichte, die einfach sinnlos
schienen, also habe ich sie zu einigen meiner Magier gebracht, die Dinge interpretieren können. Sie waren sich
einig, dass entweder ein verrückter Zauberer namens Sidi, den wir vor etwa hundert Jahren versucht haben zu
töten, zurückgekehrt ist, oder dass Euer Varen fliehen
konnte und sich hier in Kesh aufhält, oder dass sich ein
drittes Ungeheuer aus dem Nichts erhoben hat, das zufällig ein ebenso mächtiger Nekromant ist. Die zweite Variante schien die wahrscheinlichste zu sein.«
Kaspar hielt es für ungefährlich, dem Kaiser zu verraten, was er von Pug erfahren hatte. »Es sieht so aus, als
wären Sidi und Varen dieselbe Person.«
»Das erklärt vieles. Ich ziehe einfache Lösungen vor,
und das ist die eleganteste Lösung des Problems. Und
warum seid Ihr hier?«
»Ich bin gekommen, um eine Rechnung zu begleichen.«
»Gut, und während Ihr dabei seid, sorgt bitte dafür,
dass mein Reich noch ein bisschen länger zusammenhält.«
»Ich werde tun, was ich kann, Majestät.«
»Ich habe einen Plan, wenn ich lange genug leben
kann, um ihn durchzusetzen. Wenn Dangai sich seinen
schlimmsten Impulsen, den Thron zu erobern, noch ein
bisschen widersetzen kann, habe ich vielleicht eine Lösung, die uns weitere hundert Jahre des Friedens bringen
wird. Wenn nicht, steht uns wahrscheinlich ein Bürgerkrieg bevor.«
»Unsere Ziele sind sehr ähnlich«, sagte Kaspar, »denn
ein großer Teil der derzeitigen Probleme des Kaiserreichs
geht auf Varen zurück. Er will eine Rebellion herbeiführen.«
»Warum?«
»Weil er dem Bösen dient, Majestät. Die Rebellion
müsste nicht einmal Erfolg haben; die Folgen der Unruhen würden ein Jahrzehnt oder länger überall in Kesh zu
spüren sein. Alle würden sich im Recht fühlen, jeden zu
verfolgen, der ihnen nicht passt, und selbst viele Unschuldige würden leiden. Und wenn der Staatsstreich
erfolgreich wäre, wären andere mächtige Familien das
nächste Ziel.«
»Warum?«, fragte der Kaiser abermals.
»Varens Ziel ist nicht, selbst an die Macht zu gelangen; er hat vor, die Macht aller anderen zu unterminieren.
Er lebt vom Chaos und hat einen größeren Plan; er will
Krieg zwischen Nationen, stürzende Kronen und Armeen
auf dem Marsch.«
»Ich habe zu lange gelebt«, murmelte der Kaiser.
»Ach ja, und … Schach«, sagte er und bewegte eine Figur.
Kaspar schaute sich das Spielbrett an und bedachte
seine Situation. Je mehr Chaos im Land, desto mehr
Raum für das Böse. Nachdem er beinahe zwei Jahre mit
Pug und seinen Kollegen auf der Insel des Zauberers
verbracht hatte und nach dem, was der Gott Kalkin ihm
von den Dasati gezeigt hatte, wusste Kaspar, dass Varen
nur die erste vieler Sorgen war, denen das Konklave gegenüberstand.
Aber bei all seiner Macht war Varen immer noch
sterblich, und er konnte besiegt werden.
Kaspar legte seinen König hin und gab sich besiegt.
»Euer Spiel, Majestät.«
»Das ist es immer,
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