Feist Raymond - Die Erben von Midkemia 4
zwei starke Arme ausstreckten, um ihn
zu stützen.
Ein in Lumpen gekleideter Mann wartete auf sie, und
als das Mädchen unten angekommen war, sagte er zu
dem Gefangenen: »Ich soll Euch von hier wegbringen.«
»Ich kenne Euch nicht«, erwiderte der Nachtgreifer.
»Und ich kenne Euch nicht, aber man hat mich bezahlt, um Euch an einen Ort zu bringen, wo wir einen
anderen treffen werden. Und jetzt müssen wir uns beeilen, bevor sie herausfinden, dass Ihr weg seid.«
»Warte«, sagte das Mädchen. »Was ist mit meinem
Gold?«
Der zerlumpte Mann sagte: »Ich habe das hier für
dich.« Mit einer plötzlichen Bewegung zog er einen Dolch
aus dem Ärmel und trieb ihn in den Bauch des Mädchens.
Sie riss die Augen auf und bewegte den Mund, aber sie
gab keinen Laut von sich. Dann verdrehte sie die Augen
und fiel rückwärts in das schmutzige Wasser.
»Kommt«, sagte der zerlumpte Mann.
Der Gefangene warf einen Blick auf das tote Mädchen
und sagte: »Das war klug. Jetzt kann sie niemandem
mehr verraten, wohin sie mich geführt hat.«
»Ich werde gut dafür bezahlt, dass es keine Probleme
gibt. Sobald ich Euch Euren Freunden übergeben habe,
werde ich hierher zurückkehren und das Gitter wieder an
Ort und Stelle schieben. Und jetzt beeilt Euch.«
Der Gefangene war schwach, aber die Aussicht, seinen
Folterern zu entkommen, belebte ihn. Er schlurfte durch
das stinkende Wasser und ließ sich von dem zerlumpten
Mann zu einer großen Kreuzung von Kanälen führen, wo
zwei weitere Männer warteten, beide in Schwarz gekleidet. Ihre Gesichter waren verdeckt, so dass er nur ihre
Augen sehen konnte.
Der Gefangene beeilte sich, überholte den zerlumpten
Mann und erreichte die beiden schwarz gekleideten Attentäter. »Tötet ihn«, sagte er leise.
Einer der Nachtgreifer nickte. Ein metallisches Zischen erklang, als er das Schwert zog, und mit einem
raschen Stoß tötete er den zerlumpten Mann. Der zweite
Nachtgreifer legte den Arm um die Taille des Verwundeten und flüsterte: »Komm, Bruder.«
Sie betraten den größeren Gang und wandten sich
nach rechts. Nach einem Schritt sagte der ehemalige Gefangene: »Wartet! Warum gehen wir …« Dann verstummte er.
Plötzlich riss er das Tuch vom Gesicht des Mannes,
der ihn hielt. »Du!«, zischte er und trat zurück.
Amafi reagierte schnell und schnitt dem Gefangenen
die Kehle durch. Der Mann fiel nach hinten, Blut sprudelte aus der Wunde, und er landete im Abwasser.
Tal löste seine eigene Maske und sagte: »Jetzt wissen
wir es.«
»Ja, Euer Wohlgeboren«, erwiderte Amafi. »Jetzt wissen wir es sicher.«
Sie kehrten zu dem zerlumpten Mann zurück, und Tal
sagte: »Du kannst jetzt aufstehen.«
Chezarul erhob sich aus der stinkenden Brühe und
schüttelte den Kopf. »Die Dinge, die wir für unsere Sache tun!«
Tal lachte. »Ich verstehe dich vollkommen.«
Die drei Männer gingen zu der Stelle, wo das Mädchen lag, und Tal sagte: »Lela, hat dir je jemand gesagt,
dass du wunderschön stirbst?«
Das Mädchen setzte sich auf und erwiderte: »Danke,
Tal.«
Er streckte die Hand aus und half ihr hoch. »Das habt
Ihr beide sehr gut gemacht.«
Chezarul fragte: »Ihr seid jetzt also sicher, dass die Informationen stimmen?«
»So sicher wir sein können«, antwortete Tal. »Es gab
nur noch zwei Orte, die als Nest der Nachtgreifer in Frage kamen, und als unser Freund hier sich weigerte, nach
Norden zu gehen, ließ das darauf schließen, dass sich das
Versteck wahrscheinlich im Süden befindet. Er wäre gestorben, bevor er uns etwas gesagt hätte, also war das die
einzige Möglichkeit.«
Amafi fragte: »Euer Wohlgeboren, wann werden wir
zuschlagen?«
»Morgen Mittag«, erwiderte Tal. »Sie sind Geschöpfe
der Nacht, also werden wir sie in ihrer schwächsten
Stunde erwischen. Sag Caleb, er soll alle zusammenrufen«, wies er Chezarul an, »und ich kümmere mich um
den Rest.«
Chezarul nickte und stapfte stromaufwärts durch den
Abwasserkanal davon. Amafi sagte: »Ich werde mich um
die Leute kümmern, die sich noch in der Zuflucht befinden, Euer Wohlgeboren, und ich werde auch Pasko im
Palast benachrichtigen, damit Kaspar informiert ist.«
»Sei vorsichtig«, sagte Tal. »Sie suchen immer noch
nach uns.«
»Ich habe mich schon im Schatten verborgen, bevor
diese räudigen Hunde zur Welt kamen, Euer Wohlgeboren.« Er stieg die Leiter hinauf.
»Und was wirst du als Nächstes tun?«, fragte Tal Lela.
Er lächelte sie freundlich an, obwohl seine Züge in dem
trüben Licht von der
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