Feist Raymond - Die Erben von Midkemia 4
oder wie er ihn zu seinem Vorteil nutzen
könnte. Wenn schon nichts anderes, wird er uns etwas so
Mächtiges einfach nicht gönnen. Varens Angriffe auf die
Insel und auf Elvandar im vergangenen Jahr haben gezeigt, dass er dreister geworden ist, und er bemüht sich
offenbar nicht mehr, heimlich vorzugehen. Nachdem
Talwin Hawkins Varens letzten Wirt getötet hatte, hat er
seine Kräfte offenbar schnell wieder gesammelt. Ich
glaube, wir können mit Sicherheit annehmen, schon bald
wieder von ihm zu hören.«
Rosenvar fragte: »Pug, was ist es, was du uns noch
nicht gesagt hast?«
Pug lächelte. Er hatte Rosenvar gebeten, sich dem inneren Kreis anzuschließen, weil der Mann ausgesprochen
scharfsinnig war und über eine beinahe intuitive Fähigkeit verfügte, selbst aus den geringsten Informationen
noch Antworten zutage zu fördern. »Es ist nichts Besonderes, wirklich nicht. Nur ein paar beunruhigende Träume und böse Vorahnungen.«
Uskavans schwarze Augen waren geweitet, als er sagte: »Du solltest Träume nicht so leicht nehmen, Pug.
Mein Volk glaubt, dass bestimmte Teile unseres Geistes
ununterbrochen arbeiten, dass sie ununterbrochen versuchen zu verstehen. Träume sind häufig das Mittel, mit
dem bestimmte Teile des Geistes uns etwas mitteilen
wollen, das kurz davor steht, ein bewusster Gedanke zu
werden; besonders, wenn starke Gefühle damit verbunden sind. Unsere Völker unterscheiden sich nicht so sehr
– wenn es darum geht, wie unser Geist arbeitet, haben
wir viel gemeinsam.«
Magnus sah den Magier aus der anderen Welt an, und
Pug konnte beinahe die Gedanken seines Sohnes lesen:
Nur wenige Menschen, darunter Pug, Miranda und Magnus, konnten auch nur davon träumen, die geistige Disziplin eines Novizen von Uskavans Orden zu erreichen.
Der Geist eines Salavani war erheblich komplizierter als
der eines Menschen, obwohl Uskavan immer darauf bestand, dass das nur daran lag, dass die Salavani ein älteres Volk waren und die geistigen Künste seit Tausenden
von Jahren praktizierten.
Pug nickte mit leicht resignierter Miene. »In der Tat.
Im schlimmsten Fall könnten meine Träume Vorzeichen
kommender Katastrophen sein. Oder sie sind einfach
Manifestationen meiner Sorge wegen der Dasati.«
Magnus sagte: »Vater, wir müssen uns vorbereiten, als
wäre bereits sicher, dass sie kommen.«
»Ich weiß.« Pug sah alle Mitglieder des inneren Kreises nacheinander an. »Setzt euch mit unseren Agenten an
den Herrscherhöfen in Verbindung. Ich möchte über jede
Intrige und jede Situation informiert sein, die wir zu unserem Vorteil nutzen können. Wenn es sein muss, werden wir bestechen und drohen, um in einem solchen Konflikt Hilfe zu erhalten.«
Pug schwieg einige Zeit. Er erinnerte sich an den
Spaltkrieg; zwölf Jahre lang waren die Tsurani über das
Königreich und die Freien Städte hergefallen, und Queg,
Groß-Kesh und die kleineren Reiche im Osten hatten
voller Erwartung zugesehen und jede Gelegenheit genutzt, auf Kosten des Königreichs ihren eigenen Vorteil
zu sichern. »Sollten die Dasati kommen, brauchen wir
Freunde in einflussreichen Positionen, die den Herrschern klar machen, dass alle Nationen schnell reagieren
müssen, ganz gleich, wo die Invasion beginnt.«
Magnus sagte: »Vater, das ist alles schön und gut, falls
ein Angriff in Triagia stattfinden sollte – alle Herrscher
auf diesem Kontinent haben ein gewisses Gespür dafür,
dass sie, wenn in der Nähe ein Angriff aus einer anderen
Welt erfolgt, ebenso verwundbar sind, und sie werden
sich wahrscheinlich zusammentun, aber was, wenn die
Dasati unten im Grasland von Novindus oder auf der
Hochebene von Wynet auftauchen?«
»Dann wird es ein wenig schwieriger«, erwiderte Pug.
Er sah die anderen Ratsmitglieder an und hielt einen Augenblick inne, um die Gesichter zu studieren. Miranda
wirkte so rätselhaft wie eine Fremde. Sie behielt oft für
sich, was sie dachte und vorhatte, und nahm dann die
Dinge selbst in die Hand. Sie und Pug hatten sich im
Lauf der Jahre häufig gestritten, weil Miranda Agenten
ausschickte, ohne ihn davon zu informieren, oder weil sie
Befehle gab, denen er nicht zugestimmt hatte. Er lächelte
dünn. Solange seine Frau anwesend war, konnte man ihn
zumindest nicht bezichtigen, den Rat des Konklaves zu
beherrschen. Nun nickte sie beinahe unmerklich und erwiderte sein Lächeln, und er wusste, dass sie diesmal
vollkommen auf seiner Seite stand.
Rosenvars faltiges Gesicht sah aus, als wäre es aus
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