Feist Raymond - Die Erben von Midkemia 4
Wunsch an, den Herzog zu untersuchen.
Erik gestattete dem Mann geduldig, sein Herz und seine Lunge abzuhören und ihm auf Rücken und Brust zu
klopfen. Als der Arzt anfing, die Farbe seiner Augen zu
untersuchen, schob Erik ihn weg. Er schwang die Beine
aus dem Bett und erklärte: »Ich muss zur Latrine.«
Der Junker sagte: »Euer Gnaden, ich hole den Nachttopf.«
»Nicht heute Nacht, Samuel. Ich bin sicher, ich schaffe es selbst.«
Beide standen einen Augenblick stumm staunend da,
als Erik sich erhob und durch das Zimmer zu der Tür zu
seiner privaten Toilette ging und sie öffnete. Als sich die
Tür hinter dem wiederbelebten Herzog schloss, sahen der
Arzt und der grinsende Junker einander verblüfft an.
Drei
Reise
Die Jungen stöhnten.
Caleb, der auf dem Kutschbock saß, warf einen Blick
über die Schulter zu den beiden langsam erwachenden
Jungen. Er hatte sie auf den Wagen gelegt, sich von Marie verabschiedet und Stardockstedt noch vor dem Morgengrauen verlassen.
Zane war der Erste, der einigermaßen zu Bewusstsein
kam. Er blinzelte wie eine verstörte Eule und versuchte,
sich aufrecht hinzusetzen. Das sollte sich als schwerwiegender Fehler erweisen, denn sein Kopf begann sofort zu
dröhnen, und sein Magen zog sich zusammen. Es gelang
ihm kaum, den Kopf noch rechtzeitig über die Seite des
Wagens zu hängen, bevor der saure Inhalt seines Magens
wieder ans Tageslicht kam.
Caleb ließ die Pferde langsamer gehen und zügelte sie
schließlich ganz. Bis der Wagen stand, hatte sich Tad
seinem Pflegebruder mit seinen schmerzhaften KaterSymptomen bereits angeschlossen.
Caleb sprang vom Kutschbock und riss erst Tad, dann
Zane vom Wagen und ließ sie am Straßenrand fallen. Die
Jungen waren ein Bild des Elends. Beide waren sehr
blass, und Schweiß lief ihnen übers Gesicht. Ihre Augen
waren rot, ihre Kleidung war zerknittert und schmutzig.
»Steht auf«, sagte Caleb, und die beiden taten es.
»Folgt mir.«
Ohne sich umzusehen, ob sie es wirklich taten, ging
Caleb einen sanften Abhang hinunter, an dem ein paar
Bäume standen. Aus den Geräuschen hinter sich schloss
er, dass die beiden Jungen ihm widerwillig folgten.
Sie erreichten eine Senke mit hüfthohem Gras, und
Caleb bedeutete den beiden voranzugehen. Sie stolperten
halb betäubt durch das Gras. Zane trampelte es einfach
nieder, während Tad das vom Wind leicht bewegte Grün
mit den Händen teilte.
Im einen Augenblick stolperten sie noch so dahin, und
im nächsten war Zane mit einem lauten, entsetzten Aufschrei verschwunden. Tad konnte es gerade noch vermeiden, vom Ufer zu fallen, das sich etwa sechs Fuß
oberhalb des Flusses befand. Als Zanes Kopf aus dem
Wasser auftauchte, spürte Tad Calebs Fuß an seinem
Hintern, und dann flog er auch schon durch die Luft und
landete neben Zane im Wasser.
»Wascht euch«, befahl Caleb ihnen. »Ihr stinkt wie
der Fußboden eines Schankraums.« Er warf ihnen etwas
hinterher, das im seichten Wasser zwischen ihnen landete. Zane griff danach und sah, dass es sich um ein Stück
Seife handelte. »Sie wird euch nicht die Haut abschaben
wie das Zeug, das eure Mutter herstellt, aber ihr werdet
trotzdem sauber werden. Wascht euch vollständig, und
eure Kleidung ebenfalls. Danach bringt ihr die Sachen
zurück zum Wagen.«
Widerwillig fingen sie an, das nasse Zeug auszuziehen. »Und trinkt auch ein bisschen Wasser, wenn ihr gerade dabei seid«, riet Caleb. »Es wird euch helfen, unter
die Lebenden zurückzukehren.« Er machte sich auf den
Rückweg zum Wagen, schaute aber noch einmal über die
Schulter und rief: »Aber versucht, kein Seifenwasser zu
trinken.«
Caleb wartete am Wagen. Nach weniger als einer halben Stunde tauchten zwei triefnasse, nackte Jungen auf,
die ihre Kleidung in den Händen hielten. Caleb zeigte auf
den Wagen und sagte: »Hängt das Zeug über die Wagenseiten, und lasst es in der Sonne trocknen.«
Die zwei jungen Männer standen schaudernd im kalten
Morgen. Nach einer Minute zeigte Caleb auf eine kleine
Truhe, die hinter dem Kutschbock stand, und sagte:
»Dort findet ihr trockene Kleidung.«
Die Jungen zogen sich an, und Tad sagte: »Mir war
vom Trinken noch nie zuvor so schlecht.«
Caleb nickte. »Whiskey hinterlässt zweifellos einen
schauderhaften Kater.«
»Warum hast du das getan?«, fragte Zane und zog sich
ein frisches Hemd über.
»Damit ich euch nicht bewusstlos schlagen musste,
um euch dazu zu bringen, Stardockstedt zu verlassen.«
Als wären sie plötzlich aus einem
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