Feist Raymond - Die Erben von Midkemia 4
unkontrolliert zittern konnte. Er hatte
die Zähne immer noch zusammengebissen, und sein Gesicht war rot angelaufen. Seine Augen waren nun vollkommen verdreht, und nur noch das Weiße war zu sehen.
Dann nahm er eine dunklere Farbe an, von Rot zu
Purpurn, und als er langsam anfing, blau auszusehen,
nahm Nakor die Hand weg.
Ein schluchzendes Keuchen brach die Stille, als Bek
schaudernd umfiel. Er lag bebend und zuckend auf dem
Boden, und schließlich schlossen sich seine Augen.
Nakor blieb reglos stehen, sah zu, wie der kräftige
junge Mann zitterte, als erlitte er einen Anfall. Nach
mehr als fünf Minuten wurde Bek ruhiger. Sein Atem
wurde langsamer, und er rührte sich nicht mehr. Er lag
weitere fünf Minuten am Boden, als schliefe er, dann
stöhnte er und öffnete die Augen.
Er blinzelte zweimal, dann sah er Nakor an. Er setzte
sich langsam aufrecht hin und sagte: »Das war … erstaunlich.« Er holte tief Luft, atmete langsam wieder aus
und grinste. »Es hat mir gefallen!«
Nakor streckte die Hand aus und half Bek auf die Beine. »Ihr mögt Schmerzen?«
Bek tastete seinen Körper ab, um sich zu überzeugen,
dass er nicht verletzt war, während er sagte: »Manchmal
ja. Schmerzen … wecken Dinge auf. Sie machen einen
aufmerksam und wach. Zuerst ist da dieses Bedürfnis,
sich zu entziehen, aber wenn es nicht aufhört, kann man
… tiefer hineingehen, könnte man wohl sagen. Man kann
durch den Schmerz brechen, und auf der anderen Seite
ist…« Er sah Nakor fragend an, als fiele ihm das richtige
Wort nicht ein.
»Klarheit.«
Bek riss die Augen auf und nickte. »Ja! Klarheit. Dann
sieht man die Dinge anders. Es ist mit nichts zu vergleichen. Die Schmerzen verwandeln sich in ein Gefühl, das
ich nicht beschreiben kann. Aber Ihr wisst sowieso, was
ich meine.«
Nakor nickte. »Leider weiß ich das.«
»Was habt Ihr mit mir gemacht?«
»Es ist nur einer meiner Tricks«, sagte Nakor. »Es gibt
etwas in Euch, dieses Ding, das Euch zu dem macht, was
Ihr seid. Ich musste es finden, dann musste ich es … einsperren.«
Bek stand auf, die Hände auf der Brust, als tastete er
nach etwas. »Ihr habt etwas von mir eingesperrt? Ich fühle mich nicht anders als zuvor.«
Nakor drehte sich um und spähte zum Horizont. »Ich
weiß. Aber Ihr werdet eine Weile weniger dazu neigen,
Ärger zu machen. Und Ihr werdet auch nicht träumen.«
Er wandte sich wieder Bek zu. »Es ist immer noch früh,
und ich muss arbeiten. Ich werde Euch ein paar Minuten
hier allein lassen. Ich komme bald wieder zurück.« Er
griff in seinen Rucksack und holte eine goldfarbene Kugel heraus. Dann drückte er einen Knopf an der Kugel
und verschwand.
Pug blickte auf, als Nakor in seinem Arbeitszimmer
erschien. »Was ist los?«
»Erinnerst du dich, dass ich gestern in meiner Botschaft einen jungen Mann erwähnte?«
»Den, den selbst Tomas nur mit einiger Mühe besiegen konnte? Selbstverständlich.«
»Ich hatte einen Verdacht, was ihn anging, seit er vor
der Höhle auftauchte, und jetzt weiß ich es sicher.«
»Was weißt du sicher, Nakor?«
»Ich habe dir doch von den Träumen und Erinnerungen der Götter erzählt. Aber was habe ich über Fragmente gesagt?«
»Du glaubst, dass hin und wieder ein Gott seine Macht
direkt in einem Sterblichen manifestiert«, antwortete
Pug.
»Ein winziges Stückchen des Gottes befindet sich in
der Seele einer Person. Warum?«
»Ich glaube es nicht länger, ich weiß es. Bek ist eine
solche Person.«
»Bist du sicher?«
»Ja, und er stellt sowohl eine große Möglichkeit als
auch eine große Gefahr dar.«
Pug kniff die Augen zusammen und starrte Nakor an.
»Weiter.«
»Ich habe einen Trick angewandt, der mir erlaubt, etwas in einer Person zu berühren. Es ist nützlich, wenn
man wissen will, ob jemand etwas Ungewöhnliches in
sich hat, zum Beispiel, ob er von einem Dämon besessen
ist.«
»Ja, das klingt, als könnte es nützlich sein.«
»Es hilft auch, wenn man herausfinden will, ob jemand einen anlügt«, erklärte Nakor. »Aber das ist jetzt
nicht wichtig. Als ich Bek untersuchte, fand ich ein winziges Fragment eines Gottes. Die kleinstmögliche Manifestation eines göttlichen Bewusstseins, und dazu die
Kräfte, die Bek so gefährlich und unberechenbar machen.
Pug, Bek besitzt einen Bruchteil des Namenlosen.«
Pug lehnte sich zurück, sein Gesicht eine Maske reinen Staunens. Einen Moment später folgte dem Staunen
Entsetzen. »Bist du sicher?«
»Vollkommen.«
»Was hat das zu bedeuten?«, fragte
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