Feist Raymond - Die Erben von Midkemia 5
halten, die ungeduldig auf einen Hügel über einer tiefen Schlucht
zuging. »Bitte«, sagte er, und als sie sich umdrehte,
zeigte er auf seinen Stab. »Mein Bein«, fügte er hinzu.
»Tut mir leid, aber schließlich wart Ihr es, der sagte, das hier sei wichtig.«
»Das ist es, und ich denke, Ihr werdet dankbar
sein, dass ich Euch gebeten habe, allein mitzukommen. Aber ich bin kein gesunder Mann, und ein gezügelterer Schritt wäre mir sehr willkommen.«
Miranda hatte seine Botschaft erst vor ein paar
Stunden erhalten, den Zeitunterschied ignoriert – es
war gerade erst kurz vor dem Morgengrauen auf der
Insel des Zauberers, aber später Nachmittag in diesem Teil von Kelewan – und war sofort erschienen.
Nun gingen sie über eine Wiese auf den Hügel zu,
und als sie den Fuß der Anhöhe erreichten, sagte
Wyntakata: »Einen Moment bitte.« Er hielt inne, um
Atem zu holen, dann fügte er hinzu: »Man sollte
meinen, mit all der Macht … nun, vielleicht können
wir eines Tages etwas gegen das Altwerden unternehmen.« Er lachte leise. »Es ist seltsam, nicht wahr,
dass dieser Mann, den Ihr unbedingt erwischen wollt,
sich tatsächlich von einem Körper zum anderen bewegen kann … eine Art von Unsterblichkeit, denke
ich.«
»Von einem gewissen Standpunkt aus ja«, sagte
Miranda. Sie wollte sehen, weshalb man sie hierhergerufen hatte.
Der untersetzte Magier hatte endlich wieder Atem
geschöpft, und sie konnten weitergehen. Auf dem
Weg den Hügel hinauf sagte er: »Habt Ihr gehört,
dass man letzte Woche den alten Sinboya tot aufgefunden hat?«
Miranda blieb stehen. »Ihr kanntet ihn?«
»Wie konnte man ihn nicht kennen?« Wyntakata
blieb einen Moment stehen, schnaubte und sagte
dann: »Er war vielleicht der beste Hersteller magischer Amulette, den es gab. Viele von der Versammlung beschäftigten ihn, denn er konnte tatsächlich
ausgesprochen nützliche Dinge herstellen.«
Dann erreichten sie den Kamm und konnten in
ein kleines Tal hinabsehen, eine etwa eine halbe
Meile messende Senke zwischen zwei Reihen von
Hügeln. Unter ihnen im Tal befand sich eine Kuppel
aus Energie, schwarz wie die Nacht und dennoch
vor Farben glitzernd, wie irisierendes Öl, das auf
dem Wasser treibt. Miranda erkannte es sofort als
eine Art Barriere, doch was sie einschloss, wusste
sie nicht.
»Ich hörte, dass Pug Sinboya noch kurz vor seinem Tod aufgesucht hat«, sagte Wyntakata.
Miranda zögerte einen Moment, dann murmelte
sie: »Das hat er mir nicht erzählt.« Sie spürte sofort,
dass man sie in eine Falle gelockt hatte: Der Magier
hatte von ihrem Mann als »Pug« gesprochen und
nicht seinen Tsurani-Namen Milamber benutzt.
Sie wollte Energie sammeln, aber plötzlich wurde
sie von Schmerzen geschüttelt, und ihr Geist wurde
taub. Es war, als hätte jemand oder etwas die Luft
aus ihrer Lunge, das Blut aus ihren Adern und alle
vernünftigen Gedanken aus ihrem Kopf gesaugt. Sie
schaute nach unten und sah ein leicht glühendes Gitterwerk von Linien auf dem Boden unter ihren Füßen. Diese Stelle selbst war die Falle gewesen. Der
Schutzzauber, auf dem sie stand, machte ihre Macht
zunichte und hatte sie betäubt wie ein Schlag auf den
Kopf. Sie setzte dazu an, sich zu bewegen, und stellte
fest, dass ihr Körper ihr nicht gehorchte.
Wyntakata lächelte unangenehm. »Euer Fehler
war anzunehmen, dass Euer Flüchtling sich hier
ebenso verhalten würde wie auf seiner eigenen Welt,
Miranda.«
Lächelnd fuhr der Mann fort, von dem sie nun
wusste, dass es Leso Varen sein musste: »Ihr habt
Euch so sehr darauf konzentriert, nach Anzeichen
von Nekromantie Ausschau zu halten, dass Ihr das
Offensichtliche nicht bemerkt habt. Diese Leute« –
er tätschelte seine rundliche Taille – »sind solch
machtvolle Magier, dass ich mich verhalten konnte,
wie ich wollte, und es fiel keinem auf, solange ich
ein paar Dinge beachtete. ›Wie Ihr wünscht, Erhabener‹ ist wirklich ein wunderbarer Satz. Ich fliege zu
›meinem‹ Landsitz und sage: ›Ich hätte gerne eine
Mahlzeit‹, und die Leute beeilen sich, sie zuzubereiten. Es ist wunderbar, wie der König eines kleinen
Königreichs behandelt zu werden. Und sie wissen
Macht zu schätzen. Aber sie sind nichts verglichen
mit meinen neuen Freunden.«
Miranda fiel auf die Knie und wurde jeden Augenblick schwächer. Wyntakata hob die Hand und
gab ein Zeichen. Er kniete sich ungeschickt neben sie
und hielt dabei seinen Stab hoch. »Es ist wirklich
schade, dass ich nicht selbst
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