Feist, Raymond - Die Erben von Midkemia
leuchteten.
»Jeder, der darauf wartet, der Letzte zu sein, wird hier sterben, Magnus.«
Sein Sohn schwieg.
Varen eilte die Straße entlang und sah dabei, wie der Schwarze Berg aufragte und jede Stunde größer wurde, aber niemals näher zu kommen schien.
»Dieses Ding ist wirklich groß«, murmelte er.
Mindestens viermal in der vergangenen Stunde hatte er kleine Gruppen von Todesrittern getötet, aber er befürchtete, unterlegen zu sein, als er über eine Anhöhe kam und hundert von ihnen aus einer Senke reiten sah. Er wünschte sich, er hätte ein paar von den Spielsachen aus seinen alten Arbeitsräumen in Kaspars Zitadelle in Olasko dabei, und beschwor eine Illusion herauf, die er seit Jahren nicht mehr benutzt hatte. Es war ein alter Nothelfer und leicht zu bewirken. Jeder Tsurani wäre stehen geblieben, um die riesige, abgestorbene alte Eiche zu erforschen, die plötzlich an der Straße stand, aber die Dasati hatten keine Ahnung, dass dieser Baum nicht in diese Welt gehörte. Sie ritten vorbei, und als sie sich weit genug entfernt befanden, erschien Varen wieder, und die Baumillusion verschwand.
Er ging weiter und fragte sich, wie lange er noch brauchen würde, um den Rand der Kuppel zu erreichen. Es war schwierig einzuschätzen, denn die gleichförmigen Seiten lieferten ihm keine Anhaltspunkte. Die Kuppel könnte sich eine Meile hinter dem nächsten Kamm befinden oder fünf Meilen entfernt.
Dann war es plötzlich dunkel, die Lunge tat ihm weh, 305
seine Ohren klirrten, und die Augen brannten. Es fühlte sich auch an, als wäre der Großvater aller Donnerschläge über seinem Kopf explodiert. Sie packten ihn.
Varen sah zwei Todesritter, die seine Arme in eisernem Griff hielten und ihn nach vorn zogen, weil sie erwarteten, dass er bewusstlos war. Aber er war schon einmal innerhalb einer Dasati-Kuppel gewesen und wusste, was zu tun war, und plötzlich konnte er wieder leichter atmen. Er ließ sich von den Todesrittern über Gelände schleppen, das noch kurz zuvor eine Straße im hellen Sonnenlicht gewesen war. Jetzt war sie zu einem in Dunkelheit gehüllten Weg geworden, und er sah, dass die Blätter an den Bäumen auf beiden Seiten der Straße sich schwarz verfärbten und welkten.
»Oh, das ist so schlau!«, rief er.
Die beiden Todesritter packten ihn fester, und einer sah ihn an. Das war der Erste, der starb.
Varen griff einfach mit seinem Geist in den Mann hinein und brachte sein Herz zum Stillstand. »Oh, ich liebe diesen Ort!«, sagte er zu dem noch lebenden Todesritter. Der Krieger ließ Varen los und zog sein Schwert, und Leso erkannte, dass er Tsurani gesprochen hatte. Auf Dasati erklärte er: »Ich sagte >Oh, ich liebe diesen Ort!<« Der Todesritter hob sein Schwert, um zuzuschlagen. Varen streckte die Hand aus, und ein Kokon grüner, Leben verschlingender Energie umfloss den Todesritter.
Varen blieb reglos stehen, während der Todesritter starb. Andere Dasati in der Nähe sahen, dass dort ein einzelner Mensch stand und zwei tote Todesritter zu seinen Füßen lagen, und rannten auf ihn zu, um ihn anzugreifen. Varen entriss ihnen problemlos ihr Leben, bis kein lebendiger Todesritter mehr zu sehen war.
»Das habe ich zuvor nie tun können!«, rief er, entzückt 306
über seine neu gefundene Macht. »Es muss dieser Ort sein!«
Er blickte sich um, passte seine Wahrnehmung an, und wohin er auch schaute, konnte er Lebensenergie sehen, die auf die Mitte der großen Kuppel zuraste.
»Dort muss ich hin«, sagte er.
Er hatte niemals auch nur einen Augenblick darüber nachgedacht, woher diese Impulse kamen, die sein Leben beherrschten. Er hatte sie akzeptiert und gewusst, je mehr er seinen abscheulichen und zerstörerischen Impulsen nachgab, je mehr Schmerz er verursachte, je mehr Chaos er schuf, desto glücklicher würde er sein. Manchmal hatte er in der Vergangenheit vollkommen allein gearbeitet, in schimmeligen alten Höhlen oder feuchten Hütten in giftigen Sümpfen. Zu anderen Zeiten hatte er sich seinen Weg in Komfort und Luxus gebahnt, war Gast von leicht zu täuschenden Menschen wie dem Baron von Meersburg oder dem Herzog von Olasko gewesen. Er hatte auf dem Weg seinen Anteil an Entbehrungen und Schmerzen erduldet und entdeckt, dass Sterben überhaupt keinen Spaß machte, selbst wenn er nur Augenblicke später in einem gesunden neuen Körper wieder aufwachte. Er hatte auch herausgefunden, dass von hinten mit einem Schwert durchbohrt zu werden für ihn die unangenehmste Art zu sterben war.
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