Feist, Raymond - Die Erben von Midkemia
hinuntergeschluckt hatte, sagte er: »Soll ich also glauben, dass man mich für loyal hält und ich ansonsten nicht hier wäre?«
»Wahrscheinlicher wärt Ihr nicht einmal am Leben oder zumindest niemals rekrutiert worden.«
»Könige kommen und gehen«, sagte Jim. »Mein Großvater hat vieren gedient, und der Neueste ist ein vielversprechender junger Mann, aber das bedeutet nicht, dass er, wenn alle Karten auf dem Tisch liegen, die richtigen Entscheidungen treffen wird.«
»Er hat Euren Großvater als rechte Hand.« »Großvater ist ein sehr weiser, sehr kluger und sehr alter
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Mann. Ich sage das voller Zuneigung, denn er wird mir fehlen, wenn er stirbt, aber solange Ihr kein weiteres Wunder wirken könnt wie bei Lord Erik, ist es nur eine Frage von Monaten, bis er ersetzt werden muss.« »Von Eurem Vater?«
»Nein«, sagte Jim. »Er ist ein begabter Verwalter und schlägt, soweit ich höre, seinem eigenen Großvater nach, Arutha Jameson, Lord Vencar, aber er ist kein politischer Künstler wie mein Großvater …« Jim seufzte. »Wieder stehen wir einer Situation gegenüber, die man nur als gefährlich bezeichnen kann. Es hat im Westlichen Reich seit dem Tod von Prinz Arutha keine Kontinuität gegeben. Er war der letzte wahre westliche Lord, und seitdem gab es eine Reihe von Stellvertretern, Erben, die sich die Zeit vertrieben, bis sie nach Rillanon zurückkehren und den Thron besteigen konnten, und niemals wurde das Interesse des Westens richtig vertreten. Die Lords im Westen sind zerstritten, und ich habe sogar Gerüchte von Abspaltung vom Königreich gehört.«
»Diese Gerüchte sind offenbar nicht sonderlich weit verbreitet«, erwiderte Miranda, »oder wir hätten davon gehört.«
»Geflüster«, sagte Jim. »Nichts weiter, oder ich hätte es berichtet. Glaubt mir: Wenn ich auch nur im Geringsten das Gefühl hätte, dass eine solche Bewegung Schlagkraft haben könnte, hätte ich meinem Vater Bescheid gesagt, und der hätte es sofort mit Lord Erik besprochen.«
»Und der hätte es meinem Mann gemeldet.«
»Aber wir haben im Moment näherliegende Sorgen als die Politik des Königreichs«, sagte Jim. »Elvandar?«
Miranda nickte. »Ich kann Euch ans Ufer des Flusses bringen, denn man hat mir noch nicht erlaubt, einfach so hereinzukommen.« Sie sagte das, als ärgerte es sie, aber
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Jim gab lieber keinen Kommentar ab. »Stellt Euch neben mich …« »Ah … die Stiefel?«
»Ach ja«, sagte Miranda. Sie schaute seine Füße an und fügte hinzu: »Und eine Hose, die passt. Ich erinnere mich.«
Sie schickte einen Schüler los, der mit Backen beschäftigt gewesen war, um diese Dinge holen, und der Junge kam schnell mit zwei Paar Stiefeln zurück, von denen das Erste gut passte, und einer strapazierfähigen Hose, die allemal besser war als die des Kapitäns.
Jim zog sich um und stellte sich neben Miranda. Sie legte ihm die Hand auf die Schulter, und plötzlich waren sie in einem dunklen Wald, nahe einem relativ großen Fluss. »Diese Furt hat eine starke Strömung, ist aber seicht«, sagte sie, als Jim versuchte, sich zu orientieren. An dieses magische Reisen musste man sich erst einmal gewöhnen, dachte er.
Dann war sie verschwunden.
Er holte tief Luft und erkannte plötzlich, dass er keine Waffen hatte. Er wusste, er würde nicht lange allein sein, und durchquerte den Fluss. Auf der anderen Seite stand er eine Weile da, lauschte, und dann rief er: »Ich weiß, dass Ihr da seid.«
Sekunden danach erschienen scheinbar aus dem Nichts zwei Elfen.
»Willkommen, Jim Dasher«, sagte einer von ihnen.
Jim brauchte in dem düsteren Licht einen Moment, dann lächelte er und trat näher. »Danke, Trelan. Es ist schön, Euch wiederzusehen.« Sie tauschten einen Handschlag, und Jim sagte: »Ich muss mit Eurer Königin und mit Lord Tomas sprechen.«
Trelan wandte sich an den anderen Elfen und sagte: »Ich 115
werde ihn führen und eine andere Wache zu dir an die Furt schicken.« Dann trabte er rasch davon, und Dasher musste sich beeilen, um ihn wieder einzuholen.
Jim wusste von seinem vorherigen Besuch, dass er die ganze Nacht laufen würde, um den Hof der Königin von diesem Teil des Elfenwalds aus zu erreichen, also entspannte er seinen Geist und konzentrierte sich darauf, mit dem unermüdlichen Elfen Schritt zu halten. Er war erst fünf Minuten unterwegs, als er wieder anfing, an Michele zu denken, und er beschimpfte sich als liebeskranken Dummkopf.
Zehn
Ruf
Bek war am ganzen Körper voller
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