Feist Raymond E. - Krondor Saga 01
ging neben Gorath und meinte: »Ich habe
nicht ganz begriffen, was ich da eben gesehen habe.«
»Ich erkläre es dir später«, sagte Gorath.
»Der Mann meiner Mutter wurde bei einem Scharmützel in der Nähe der Grenze verletzt; er ist auf
eine Bande Moredhel gestoßen, die sich auf dem
Weg nach Süden auf unserem Land herumgetrieben haben«, sagte Calin.
»Das waren keine Banditen«, meinte Gorath.
»Das waren die Mitglieder von Obkhars Clan, die
vor Delekhan zum Grünen Herzen fliehen.«
Calin neigte den Kopf bei der Berichtigung.
»Wie auch immer, Tomas wurde von einem vergifteten Pfeil getroffen und muss jetzt ruhen.«
Er schlug einen reich verzierten Wandteppich
zur Seite und führte sie auf eine große, private
Terrasse, von der man einen wunderbaren Blick
auf Elbenheim hatte. In einem Alkoven, der durch
einen Vorhang abgetrennt werden konnte, lag ein
großer Mann auf einem Bett. »Lasst mich nachsehen, ob er wach ist«, sagte Calin.
»Ich bin wach«, erklang eine dünne Stimme aus
dem Alkoven.
»Tomas, dies sind Owyn von Timons und
Gorath, einer aus unserem Volk, der dabei ist, zurückzukehren. Sie haben eine Nachricht von Pugs
Frau.«
Owyn und Gorath traten näher an den Alkoven
heran. Unter einer Daunendecke, den Kopf von
einem Stapel Kissen gestützt, lag ein großer, jung
aussehender Mann, der mehr als sechs Fuß messen mochte. Gorath, der das Bett schon beinahe
erreicht hatte, blieb plötzlich stehen. »Ich habe
die Gerüchte gekannt«, sagte er leise, »doch die
meisten haben sie nicht für wahr gehalten. Aber es
stimmt. Du bist ein Valheru.«
»Das ist er nicht ganz, zu unserer ewig währenden Freude«, sagte Calin.
Tomas schaltete sich ein. »Ich würde gerne aufstehen, um dich zu begrüßen, aber ich bin gegenwärtig nicht in der Verfassung dazu.«
»Ein vergifteter Pfeil?«, fragte Gorath. »Was für
Gift ist es gewesen?«
»Eine dünnflüssige grüne Substanz, die uns völlig unbekannt ist.«
»Coltari«, sagte Gorath. »Es heißt, dass es aus
dem Kaiserreich Tsuranuanni stammt und nach
der Provinz benannt ist, aus der es kommt. Es gelangte ungefähr zu der Zeit in unsere Hände, als
Delekhan begann, die Clans um sich zu versammeln.«
»Gibt es ein Gegengift?«, fragte Calin.
»Darf ich die Wunde sehen?«
Tomas bedeutete Gorath, näher heranzukommen. Dann drehte er den Kopf, so dass an der
rechten Seite des Nackens, knapp oberhalb der
Schulter, eine böse Wunde sichtbar wurde.
»Eigentlich müsstest du tot sein«, meinte Gorath.
Tomas lächelte, und Owyn war erneut verblüfft,
wie jung er wirkte. Er war ein beeindruckender
Mann, mit kantigen Gesichtszügen, und seine
Ohren liefen beinahe genauso spitz zu wie die eines
Elben. »Ich habe herausgefunden, dass ich ziemlich schwer zu töten bin. Aber ich kann ganz sicher
in die Knie gezwungen werden. Im Moment habe
ich kaum die Kraft eines jungen Hündchens.«
»Wenn du es bis jetzt überlebt hast«, sagte Gorath, »wirst du dich auch ganz erholen, aber ich
kann nicht voraussagen, wie lange das dauern wird.
Bei denen, die unter leichten Coltari-Vergiftungen
litten, hat es Wochen gedauert, bis es ihnen langsam wieder besser ging.«
»In ein paar Tagen bin ich wieder der Alte«, sagte Tomas.
»Der Mann meiner Mutter ist immer optimistisch«, meinte Calin. »Ich glaube, er wird noch
Wochen im Bett zubringen. Unsere Heiler haben
alles getan, was ihnen möglich war.«
»Was ist das für eine Nachricht, die Katala mir
zukommen lässt?«, fragte Tomas.
»Sie hat uns gebeten, Euch zu sagen, dass Pug
und Gamina aus Krondor verschwunden sind«,
erzählte Owyn. »Pug hat nur eine kryptische Notiz
hinterlassen: ›An Tomas! Das Buch von Macros!‹
Wir haben unterwegs im Kloster von Sarth
Station gemacht, aber dort weiß niemand etwas
von einem solchen Buch. Handelt es sich möglicherweise um etwas, das sich in Eurem Besitz
befindet?«
»Ja«, bestätigte Tomas. »Aber es ist kein Buch,
um die Wahrheit zu sagen. Calin, würdest du mir
diesen Kasten geben, der neben meiner Waffenkiste
steht?«
Calin tat, wie ihm befohlen, und brachte Tomas
einen kleinen Kasten. Tomas öffnete ihn und nahm
ein Pergament heraus. »Das Buch von Macros ist
ein Satz, auf den Pug und ich uns einmal geeinigt
haben;er sollte dazu dienen, mir mitzuteilen, wenn
er meine Hilfe dringend benötigt. Er hat außerdem
dieses Pergament geschaffen, damit jene, die den
Satz lesen, zu ihm geführt werden können.« Er
setzte sich auf. »Calin,
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