Feist, Raymond E. - Krondor Saga 02
beinahe zu flimmern schien rosa und orange färbten. Die Kolonne hinter der Vorhut rückte näher zusammen, als sie die Stadt durch das dem Palast und den SoldatenUnterkünften am nächsten liegende Südtor betrat. Die hier herrschende Betriebsamkeit war für diese Tageszeit nicht ungewöhnlich: Ein paar Händler lenkten ihre Wagen in die Stadt, während Bauern, die den Tag in Krondor verbracht hatten, wieder aufbrachen und sich auf den Weg nach Hause machten.
James machte eine ausschweifende Handbewegung. »Nicht gerade ein überschwänglicher Empfang, was?«
Locklear bemerkte, dass ein paar neugierige Passanten sich umdrehten und die Kompanie betrachteten, die Arutha durch das Palastviertel geleitete. Ansonsten wurden sie, wie bereits in den Außenbezirken Krondors, von den Stadtbewohnern eher links liegen gelassen. »Ich nehme an, Arutha hat unsere Ankunft nicht angekündigt.«
»Nein, es muss noch einen anderen Grund geben«, sagte James. Seine Müdigkeit war wie weggeblasen, als Neugier sich seiner bemächtigte.
Locklear musterte die Gesichter derjenigen, die am Straßenrand warteten, um den Prinzen und seine Kompanie durchzulassen; er sah, dass ihre Mienen Besorgnis widerspiegelten. »Du hast Recht, James.«
In der Hauptstadt des westlichen Teils des Königreichs der Inseln war es niemals ruhig. Selbst in den düsteren Stunden vor Sonnenaufgang waren überall Geräusche zu hören. Jede Stadt hatte ihren eigenen Puls, und Krondor hatte einen, der James so vertraut war wie sein eigener Herzschlag.
Er konnte dem Rhythmus lauschen und verstand, was er ihm mitteilte: Irgendetwas stimmt nicht. Es war noch fast eine Stunde bis Sonnenuntergang, doch die Stadt wirkte sehr viel gedämpfter, als sie es eigentlich hätte tun sollen.
Locklear lauschte ebenfalls und wusste, was James hörte, beziehungsweise nicht hörte – es war, als würden alle ein bisschen leiser sprechen als gewöhnlich. Der Ruf des Fuhrmanns, der seine Maultiere zurechtwies, wirkte wie abgeschnitten, als sollte er bloß keine Aufmerksamkeit erregen.
Auch die Ermahnung, die eine Mutter ihrem Kind gab, war seltsam knapp, und statt des üblichen, schrillen Schreis folgte nur eine leise, drohende Warnung.
»Was glaubst du, geht hier vor?«, fragte Locklear.
Vor ihnen ritt Arutha; ohne sich zu seinen Junkern umzudrehen, beantwortete er leise die Frage, die eigentlich gar nicht an ihn gerichtet gewesen war. »Wir werden es bald herausfinden.«
Die jungen Männer blickten an ihrem Herrscher vorbei und sahen am Palasttor eine Abordnung auf sie warten. Ganz vorn stand Prinzessin Anita; sie lächelte erleichtert, als sie ihren Ehemann unversehrt vor sich sah. Sie hatte noch immer etwas Jugendliches an sich, trotz zehn Jahren Ehe und Mutterschaft. Die roten Haare waren hochgesteckt; sie verschwanden unter einem breiten, weißen Hut, der sich jedoch – fand James – auf ihrem Kopf mehr wie ein Segelschiff ausnahm. Aber so war die gegenwärtige Hofmode eben, und man machte keine Witze auf Kosten der Prinzessin, besonders dann nicht, wenn sie einen gerade anlächelte.
James erwiderte das Willkommenslächeln der Prinzessin und badete einen Augenblick in seiner Wärme. Seine jungenhafte Verliebtheit in Anita hatte sich in tiefe und beständige Zuneigung verwandelt, und wenn sie auch zu jung war, um eine Art Ersatzmutter für ihn sein zu können, so bot sie mit ihrem fröhlichen Wesen und ihrem Humor einen guten Ersatz für eine ältere Schwester. Wer die beiden kannte, wusste, dass die Prinzessin James als ihren jüngeren Bruder betrachtete, den sie niemals gehabt hatte. Es ging sogar so weit, dass die Kinder der Prinzessin »Onkel Jimmy« zu James sagten.
Neben Anita standen ihre Zwillinge – die neunjährigen Prinzen Borric und Erland –, die sich gegenseitig schubsten, als wäre es ihnen unmöglich, sich auch nur einen Augenblick lang still zu verhalten. Die rothaarigen Burschen waren recht intelligent, wie James wusste, aber auch undiszipliniert.
Eines Tages würden sie zu den mächtigsten Edlen im Königreich zählen, doch im Augenblick verhielten sie sich einfach nur wie mürrische Jungs, die keine Lust hatten, sich wie Prinzen zu benehmen, sondern nur darauf erpicht waren, so bald wie möglich von hier wegzukommen und irgendwelchen Unfug anzustellen. Direkt vor ihrer Mutter stand Prinzessin Elena, die vier Jahre jünger als die Jungen war. Ihre Gesichtszüge waren ebenso fein geschnitten wie die ihrer Mutter, doch besaß sie außerdem die
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