Feist, Raymond E. - Krondor Saga 02
Kurz vor der Morgendämmerung haben wir gehört, dass sie den Nachtmeister gefunden hatten. Er trieb in den Abwasserkanälen in der Nähe der Docks. Sie haben ihm den Kopf regelrecht zu Brei geschlagen.«
Kat keuchte. »Niemand würde es wagen, ihn zu berühren.«
»Niemand, der Bescheid weiß. Aber jemand, der sich nichts aus dem Zorn der Spötter macht, könnte so etwas sehr wohl tun«, sagte Graves.
»Jetzt kommt der wirklich heikle Teil«, meinte Limm. »Der Tagesmeister hat gesagt, dass der Nachtmeister den Aufrechten hatte treffen sollen.
Aber wenn der Aufrechte sich mit jemandem treffen will und diese Person nicht auftaucht, hätte er doch auf irgendeine Weise den Tagesmeister oder den Nachtmeister informiert. Aber niemand hat je eine Nachricht erhalten. Also hat der Tagesmeister einen seiner Jungen geschickt, Timmy Bascolm, falls ihr euch an ihn erinnert« – sie nickten –, »und eine Stunde später ist Timmy ebenfalls tot.
Daraufhin zieht der Tagesmeister mit einer Gruppe von Schlägern los, und eine Stunde später kommen sie zurück zum Spötterschlupf und mauern sich dort ein. Niemand hat irgendetwas gesagt, aber seither verbreitet sich die Nachricht, dass der Aufrechte von uns gegangen ist.«
Graves schwieg eine Zeit lang. »Er muss tot sein.
Es gibt keine andere Erklärung.«
»Dann sind da gestern Abend brutale Kerle durch die Abwasserkanäle gerannt, bei deren Anblick selbst starken Männern unwohl wird, und Jackie und ich haben uns gedacht, dass wir irgendwo untertauchen sollten, bevor die Jagd so richtig losgeht. Wir sind gestern Nacht in der Nähe von Fünfpunkt angegriffen worden« – sowohl Kat als auch Graves kannten diesen Teil der Stadt –, »und als sie Jackie getötet hatten, habe ich es für das Beste gehalten, hierher zu laufen, zu euch.«
»Willst du Krondor verlassen?«, fragte Graves.
»Wenn du mich mitnimmst«, sagte Limm. »Da draußen tobt ein Krieg, und ich bin der Letzte von meiner Bande, der noch übrig ist. Wenn der Aufrechte tot ist, ist alles offen. Ihr kennt die Regeln. Wenn der Aufrechte nicht hier ist, ist jeder auf sich selbst gestellt und muss allein zusehen, wie er zurechtkommt.«
Graves nickte. »Ich kenne die Regeln.« Seine Stimme ließ den rauen, befehlenden Ton vermissen, den Limm kennen gelernt hatte, als er zu den Spöttern gestoßen und Graves der Anführer der Schläger gewesen war. Doch Graves hatte Limm mehrmals das Leben gerettet, sowohl vor irgendwelchen Verbrechern als auch vor den Männern des Prinzen. Limm würde tun, was immer Graves von ihm verlangte, daran bestand kein Zweifel.
Graves dachte einen Augenblick schweigend nach, dann meinte er: »Du bleibst hier, Junge.
Niemand in der Gilde weiß, dass du Kat und mir geholfen hast, und außerdem mag ich dich, um die Wahrheit zu sagen. Du bist immer ein guter Junge gewesen. Vielleicht ein bisschen zu überzeugt von dir, aber welcher Junge ist das nicht manchmal?«
Er schüttelte bedauernd den Kopf. »Wir werden da draußen viele Feinde haben – die Spötter, die Männer des Prinzen, die Männer des Kriechers.
Ich habe noch ein paar alte Freunde, aber wenn Blut in den Abwasserkanälen fließt, weiß ich nicht, wie lange ich noch auf sie zählen kann.«
»Aber alle glauben, dass du schon längst nicht mehr hier bist!«, wandte Limm ein. »Ich und Jackie sind eine Ausnahme gewesen, denn du hast es uns nur deshalb gesagt, damit wir dir was zu essen bringen konnten. Du hast Nachrichten verschickt
– zum Tempel und zu deinen Freunden, zu diesem Magier, mit dem du gereist bist « Er machte eine Handbewegung, als versuche er, sich an den Namen zu erinnern.
»Owyn«, half Graves ihm auf die Sprünge.
»Owyn«, wiederholte Limm. »In der Stadt geht das Gerücht, dass du nach Kesh geflohen bist. Ich kenne mindestens ein Dutzend Schläger, die die Stadt verlassen haben, um dich zu suchen.«
Graves nickte. »Und ähnlich viele Mönche vom Tempel tun das Gleiche, schätze ich.« Er seufzte.
»So war der Plan. Wir wollten uns hier verstecken, solange sie draußen nach mir suchen.«
Jetzt meldete sich Kat zu Wort, die bis dahin geschwiegen hatte. »Es ist ein guter Plan gewesen, Graves.«
Limm nickte.
»Ich bin davon ausgegangen, dass sie nach weiteren neun oder zehn Tagen zurückkommen würden«, sagte Graves, »und dass sie voneinander denken würden, sie hätten uns aus den Augen verloren. Dann könnten wir eines Nachts zu den Docks gehen, ein Schiff besteigen und nach Durbin segeln. Wie ein
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