Feist, Raymond E. - Krondor Saga 02
Prinz Arutha war und sich von niemandem schlagen ließ. Diese Mitteilung hatte James mit einem auf Jeromes Brust gerichteten Dolch unterstrichen und zwar war es Jeromes Dolch, den James ihm geschickt vom Gürtel genommen hatte, ohne dass er irgendetwas bemerkt hatte. James hatte seine Botschaft nicht ein einziges Mal wiederholen müssen.
Seit jenem Tag hütete sich Jerome vor James, obwohl er nach wie vor gelegentlich versucht hatte, die jüngeren Junker zu schlagen. Seit er der Schüler von deLacy war und aller Wahrscheinlichkeit nach der nächste Zeremonienmeister werden würde, hatte er seine Neigung zur Gewalt jedoch etwas unterdrückt, und er und James hatten eine Art Waffenstillstand geschlossen. James hielt ihn noch immer für einen kleinlichen Umstandskrämer, aber jetzt schien er ihm nicht mehr so unangenehm zu sein wie damals, als er selbst noch ein Junge gewesen war. Und manchmal war Jerome sogar ganz nützlich.
»Mir ging gerade ein seltsamer Gedanke über Mode durch den Kopf«, antwortete James.
Jerome verzog seinen Mund zu einem Lächeln.
Er ging auf die Bemerkung nicht ein, doch der leichte Wechsel seines Mienenspiels deutete darauf hin, dass er James’ Ansichten teilte.
Der Hof wirkte äußerst üppig und großzügig; sämtliche Gäste trugen Kleider, die auf der Höhe der in Krondor herrschenden Mode waren. James fand diese jährlichen Wechsel seltsam und gelegentlich auch lächerlich, aber er ertrug sie mit Fassung. Die Uniformen der Wachen waren auf Bitten der Prinzessin ausgetauscht worden, da ihr die alten, grauen Überwürfe zu langweilig erschienen waren.
Die Ehrengarde, die entlang der Wände postiert war, trug hellbraune Tuniken – ein Ton irgendwo zwischen Kupfer und Gold – mit einem schwarzen Adler darauf, der sich über einen Berggipfel erhob.
James wusste nicht recht, ob ihm dieser Bruch mit der Tradition gefiel oder nicht, aber er stellte mit einiger Zufriedenheit fest, dass auf dem scharlachroten Umhang des Prinzen noch immer das alte Wappen prangte.
Neue Gäste trafen ein und strömten in den Ballsaal. James beugte sich leicht zu Jerome und fragte leise: »Die üblichen Gäste?«
Jerome nickte. »Ortsansässige Edle, reiche Kaufleute, ein paar ranghöhere Soldaten, die sich die Gunst des Prinzen erworben haben.«
»Sind auch Keshianer dabei?«, fragte James. »Ein paar«, antwortete Jerome. »Händler.« Er blickte James an. »Oder hattest du an ganz bestimmte Keshianer gedacht?«
James schüttelte andeutungsweise den Kopf, als der Tanz sich dem Ende zuneigte. »Nein, aber ich wollte, ich hätte es.«
Falls Jerome sich über diese Antwort wunderte, zeigte er es nicht. Es war eine Zurückhaltung, die James inzwischen bewunderte; der Zeremonienmeister verbrachte einen Großteil des Tages mit Idioten, von denen einige auch noch reich und mächtig waren. Die Fähigkeit, etwas überzeugend nicht zu hören, war etwas, an dem es James noch mangelte, an dem er noch arbeiten musste.
Am anderen Ende des Saals entstand leichte Unruhe, als der erste Tanz endete. Arutha verbeugte sich vor Anita und reichte ihr die Hand, um sie zum Podest zurückzuführen.
Ein dröhnender Klang hallte durch den Saal, als deLacy mit dem Zeremonienstab auf den Boden klopfte und so die Ankunft einer bedeutenden Persönlichkeit meldete. DeLacys alte, aber immer noch kräftige Stimme war im ganzen Saal zu hö
ren. »Eure Hoheit, Herzog Radswil von Olasko.«
»Radswil von Olasko?«, fragte James.
»Das wird Radsvil ausgesprochen, du Idiot«, flüsterte Jerome. »Er stammt aus dem Osten – aus einem Herzogtum.« Er blickte James mit spöttischer Verachtung an. »Guck dir mal die Karte an, mein Freund. Der Mann ist der jüngere Bruder von Großherzog Vaclav und Onkel des Prinzen von Aranor.« Jerome senkte die Stimme jetzt noch mehr. »Was bedeutet, dass er ein Cousin des Königs von Roldem ist.«
Ein Raunen und Rascheln ging durch die Menge, als diejenigen, die bisher auf der Tanzfläche gestanden hatten, jetzt Platz machten, um den großen Mann und sein Gefolge zu Arutha und Anita durchzulassen. Der Prinz und die Prinzessin hatten gerade wieder auf dem Podest Platz genommen. James betrachtete den Mann, und ihm gefiel gar nicht, was er sah.
Der Herzog war trotz seiner schönen Kleider ein Schläger, das erkannte James auf den ersten Blick. Er trug einen riesigen Samthut in dunklem Kastanienbraun, der auf die eine Schulter hinabfiel; daran hing eine protzige Silberspange mit einer langen, weißen
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