Feist, Raymond E. - Krondor Saga 02
aufgefallen.«
Lucas deutete mit einem Finger anklagend auf James’ Brust. »Auf diesem Stuhl, Jimmy die Hand, haben schon weit weniger angenehme Personen gesessen als du.«
James hielt die Handfläche empor, als wollte er sich ergeben. »Das bezweifle ich nicht im Geringsten.« Er blickte auf die Küchentür, als versuche er hindurchzusehen. »Aber sie klingt nicht gerade wie eins der Bauernmädchen, die ich bisher kennen gelernt habe, Lucas.«
Lucas fuhr sich mit der knochigen Hand durch das grau durchsetzte Haar. Auf seinem kantigen Gesicht spiegelte sich jetzt leichte Gereiztheit darüber, dass er etwas erklären musste. »Sie hat ja auch mehr Zeit damit verbracht, bei den Nonnen eines nahe gelegenen Klosters etwas zu lernen, als Kühe zu melken. Sie kann lesen, schreiben und rechnen. Sie ist ein kluges Kind.«
James nickte anerkennend. »Lobenswert. Doch ich bezweifle, dass dein durchschnittlicher Kunde diese Qualitäten ebenso schätzen wird wie ihre offensichtlicheren.«
Lucas’ Miene verdüsterte sich. »Sie ist ein gutes Mädchen, James. Sie soll einen ordentlichen Mann heiraten, nicht irgend so einen dreckigen na, du weißt schon. Ich habe eine Aussteuer für sie zusammengespart, und « Er senkte die Stimme, damit sie nicht bis in die Küche drang. »James, da du im Palast wohnst und so weiter, bist du der Einzige, von dem ich weiß, dass er ordentliche Burschen kennt. Zumindest, seit Laurie weggelaufen ist und sich in Salador zum Herzog ernannt hat. Kannst du nicht für mein Mädchen den richtigen Jungen finden? Sie ist erst seit ein paar Tagen wieder in der Stadt, und ich fühle mich bereits so grün wie ein frischer Rekrut an seinem ersten Tag.
Da ihre Brüder im Krieg gestorben sind, ist sie alles, was mir geblieben ist.« Er blickte sich in dem ordentlichen, aber schlichten Schenkenraum um.
»Ich möchte, dass sie mehr bekommt als das hier.«
James grinste. »Ich verstehe. Ich werde sehen, was ich tun kann. Ich bringe mal ein paar in Frage kommende Jungs zu einem Bier mit, und dann lassen wir der Natur ihren Lauf.«
»Aber nicht Locklear!«, betonte Lucas. »Den hältst du gefälligst von ihr fern.«
James lachte. »Keine Sorge. Er reitet vermutlich genau in diesem Augenblick aus Krondor heraus, um einen langen Dienst in TyrSog anzutreten.«
Talia kehrte wieder zurück. »Es ist alles bereit, Vater.«
»Du bist ein gutes Mädchen«, erwiderte er.
»Dann öffne die Tür, damit die Leute reinkommen und frühstücken können.«
Während sie verschwand, richtete sich Lucas wieder an James. »Also gut. Du hast das Risiko, von mir umgebracht zu werden, doch sicher nicht auf dich genommen, um Klatsch über mein Mädchen und die Jungen am Hof zu hören? Was also hat dich noch vor Sonnenaufgang hierher geführt?«
James’ Gesicht wurde ernst. »Da unten in den Abwasserkanälen ist ein Krieg im Gange, Lucas.
Und jemand hat Freunde von mir getötet. Was ist da los?«
Lucas nickte. »Ich habe gewusst, dass du mich das fragen würdest. Ich hatte nur angenommen, du würdest schon früher kommen.«
»Ich bin erst letzte Nacht nach Krondor zurückgekehrt. Ich hatte mit dem Prinzen etwas zu erledigen.«
»Nun, wenn Arutha auf der Suche nach Unruhen ist, kann er sich auch zu Hause umschauen, denn er bekommt sie haufenweise hier, und ganz umsonst. Ich weiß nicht, was wirklich dahinter steckt, aber den Gerüchten zufolge geschehen viele Morde in den Abwasserkanälen und entlang des Hafenviertels. Die Toten sind sowohl Stadtbewohner als auch Spötter. Ich habe gehört, dass Keshianer Läden in Gebäuden eröffnen, die einmal Kaufleuten des Königreichs gehört haben, und neue Schlägerbanden tummeln sich in den Docks. Niemand weiß, was da geschieht, abgesehen von den Spöttern, die erstmal untergetaucht sind. Ich habe seit einer Woche keinen mehr gesehen. Die meisten meiner Stammgäste kommen später und gehen bald wieder, weil sie unbedingt noch vor Einbruch der Dunkelheit zu Hause sein wollen.«
»Wer steckt dahinter, Lucas?«, fragte James.
Lucas blickte sich um, als hätte er Angst, dass ein unsichtbarer Spion ihn hören könnte. »Jemand, der sich der Kriecher nennt«, flüsterte er.
James lehnte sich zurück. »Wieso überrascht mich das ganz und gar nicht?«, murmelte er.
Drei
Empfang
James wartete.
Ein junger Hofpage klopfte an die Tür; sein Gesichtsausdruck war ernst und unbeteiligt, wie es sich für einen Jungen von zwölf Jahren gehörte, der vor den königlichen Gemächern
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