Feist, Raymond E. - Krondor Saga 02
halbes Dutzend Wachtmeister vorbeikommen würden, um bei der Inspektion von Fracht und Passagieren zu helfen. Er stellte klar, dass er weniger an der Ladung als an den Menschen interessiert war; das Schmuggeln galt zwar als ernsthaftes Verbrechen, war aber verglichen mit einem Mord natürlich ein geringeres Vergehen. Der Diensthabende nickte abwesend, und James war sicher, dass ihm nichts anderes übrig bleiben würde, als in ein oder zwei Tagen zurückzukehren und nachzusehen, ob die von ihm gewünschten Veränderungen auch wirklich durchgeführt worden waren. Bei allem, was er sich als kleiner Junge immer ersehnt hatte – Reichtümer, Ruhm und Macht –, hatte er niemals an den hohen Verwaltungsaufwand gedacht, der mit solchen Dingen verbunden war.
James nahm seinen Rundgang durch die Stadt wieder auf, schaute mal hier, mal dort nach und versuchte so unauffällig wie möglich herauszufinden, wo sich seine Agenten aufhalten mochten – sofern sie überhaupt noch am Leben waren. Es war nicht ungewöhnlich, wenn sich einer oder zwei von ihnen eine Zeit lang versteckten, aber jetzt wurden drei vermisst, und einer war ermordet worden. James war daher ziemlich sicher, dass die meisten – wenn nicht alle – tot waren. Über die Schlussfolgerung, die sich in diesem Zusammenhang regelrecht aufdrängte – dass nämlich jemand wissen musste, wer sie waren und für wen sie arbeiteten –, wollte er jetzt lieber noch nicht nachdenken.
Als der Abend nahte, zogen vom Bitteren Meer Wolken auf, und in kürzester Zeit war Krondor in Dunkelheit gehüllt. Fühlt sich mehr nach Nebel als nach Regen an, dachte James beiläufig, als er zum Palast zurückeilte. Und zwar nach scheußlichem Nebel.
Wenn er den Morgen von allen Tageszeiten am liebsten mochte, dann hasste er den späten Nachmittag und den frühen Abend am meisten. In den Straßen tummelten sich müde Stadtbewohner und Besucher, und Leute, die den ganzen Tag gearbeitet hatten, hasteten kurz vor Ladenschluss zu verschiedenen Geschäften, um noch ein paar Einkäufe tätigen zu können. Jene, die dem heftigen Trinken zugeneigt waren, schwankten bereits hörbar durch die Gassen, und zugleich machten sich in der langsam über die Stadt hereinbrechenden Dunkelheit all jene auf, die zur weniger ansehnlichen Bevölkerungsschicht zählten.
Früher einmal war er selbst einer von denen gewesen, die abends aus ihren Verstecken krochen, hatte wie sie Jagd auf ehrlich und hart arbeitende Menschen gemacht – sofern sie nicht damit beschäftigt gewesen waren, sich gegenseitig zu bekriegen. Hatte er einen Befehl des Nachtmeisters der Spötter auszuführen gehabt, war er gewöhnlich nie von einem anderen Mitglied der Bruderschaft belästigt worden, und selbst jene, die nicht zur Gilde des Todes zählten, hatten ihn in Ruhe gelassen, da der Schutz der Spötter nichts war, was man leichthin beiseite schob.
Jetzt war er ein Mann des Prinzen, und wenn ihm dadurch auch ein ganz anderer Schutz zuteil wurde, wusste er jedoch nur zu gut, dass er nicht vor denen geschützt war, die er einst seine Brüder genannt hatte. James hatte seinen Treueid den Spöttern gegenüber gebrochen, um den Prinzen vor dem tödlichen Angriff der Nachtgreifer zu warnen – dadurch hatte er Verrat an der Gilde geübt.
James kannte die genauen Einzelheiten nicht, aber irgendwie musste es Arutha gelungen sein, sein Leben zu erwerben oder gegen etwas einzutauschen, denn er hatte den Junker in seinen Haushalt übernommen. Trotz dieses Wunders machte James sich keinerlei Illusionen. Wenngleich er sich mit vielen Spöttern noch immer gut verstand, wusste er doch, dass der Todesbann der Gilde auf ihm ruhte. Um Konflikte mit dem Prinzen zu vermeiden, ignorierten die Spötter diesen Bann jedoch und begegneten James mit höflicher Toleranz, nicht mehr. Er konnte noch immer die geheimen Wege in den Abwasserkanälen und auf den Dächern benutzen, wenn er wollte. Doch es bestand kein Zweifel daran, dass die Spötter ihn ohne Zögern töten würden, sobald er eine Bedrohung für sie darstellte.
James wurde es Leid, sich durch das Gewühl der Leute zu quälen, und so beschloss er, eine Abkürzung durch eine der Seitenstraßen zu nehmen. Wenn er sich beeilte, würde er den Palast noch früh genug erreichen, um schnell etwas zu essen aus der Küche holen zu können, und er würde das Büro des Hofmarschalls aufsuchen können, bevor Jonathan Means eintraf. Das Verschwinden von Agenten in der Stadt bereitete James mehr Sorgen, als
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