Feist, Raymond - Krondor-Saga 3
versagt hätte, mir Kendarics Spruch zu besorgen, würde ich einfach warten, bis Kendaric auftaucht, und ihn mir dann holen.«
»Oder warten, bis wir die Arbeit getan haben, und uns die Träne wegnehmen, wenn wir wieder festen Boden unter den Füßen haben.«
»Doch in beiden Fällen würde ich dafür sorgen, dass Kendaric bis zur Witwenspitze kommt«, beendete Jazhara den Gedankengang.
»Ich warte eigentlich nur ungern länger, aber ich möchte die Angelegenheit auch nicht gern angehen, solange die Truppen noch nicht in Müllersruh sind.« Er warf einen Blick zu den anderen hinüber. »Bruder Solon!«, rief er.
»Mir scheint, Ihr wisst einiges über die Goblins. Dieses Lager, das wahrscheinlich nicht allzu weit von hier entfernt liegt was glaubt Ihr, wie groß es wohl sein wird?«
Der Kriegermönch dachte einen Augenblick lang nach, ehe er antwortete. »Das ist schwer zu beurteilen. Diese verrückten Kreaturen denken nicht so wie Ihr und ich. Es sind vielleicht drei Kompanien – von der Größe wie die, die den Überfall durchgeführt hat. Eine bewacht das Lager, während die beiden anderen auf Raubzüge gehen. In dieser Gruppe hier waren mehrere Häuptlinge und Priester, was irgendwie ungewöhnlich ist.«
»Was werden sie tun?«, fragte Kendaric, der sich mittlerweile wieder genügend von seinem Schock erholt hatte, um dem Gespräch folgen zu können.
»Ah, das ist doch offensichtlich«, sagte Solon. »Sie haben ein Kind geraubt.« Er warf einen Blick zum Himmel, an dem der abnehmende Kleine Mond stand. »Sie werden das Kleine in zwei Tagen opfern, bei Neumond, als ein Opfer für ihren Gott. Das sind keine Banditen, die unterwegs sind, um ein bisschen zu plündern. Das ist ein allumfassender Raubzug, um die Geister zu beruhigen.
Ihre Vorfahren haben ihnen gesagt, dass sie hierher kommen und das Blut von Menschen vergießen sollen, dass sie menschliche Sklaven und Pferde rauben und dann zurückkehren sollen. Das ist eine ziemlich üble Geschichte.«
»Wir müssen etwas unternehmen«, sagte Jazhara. »Die Soldaten werden auf keinen Fall rechtzeitig hier eintreffen, wenn die Goblins das Kind schon übernächste Nacht töten wollen.«
»So wenig mir der Gedanke gefällt, dass ein Kind auf eine solche Weise sterben soll – wir haben andernorts etwas Dringlicheres zu erledigen«, erklärte James.
Jazhara packte James am Oberarm. Ihre Stimme war leise, klang aber verärgert, als sie zu ihm sagte: »Ihr würdet zulassen, dass ein Kind wie ein Schlachttier getötet wird?«
James verdrehte die Augen und schüttelte den Kopf.
»Ich habe nicht das Gefühl, als ob ich überhaupt noch eine Wahl hätte.«
»Nein, die habt Ihr auch nicht. Wenn es sein muss, gehe ich nämlich auch allein.«
James entzog seinen Arm ihrem Griff. »Ihr müsst Eure Pflicht tun.«
»Und Ihr habt bereits gesagt, dass dies alles vielleicht nur geschehen ist, um unsere Soldaten wegzulocken.
Außerdem – wenn Ihr nicht nach Haldenkopf wollt, solange die Patrouille noch nicht hier ist, müssen wir so oder so warten. Wenn wir das Kind retten und es zu seiner Familie zurückbringen können, verlieren wir nur ein paar Tage, und wenn die Soldaten, die uns folgen, dann hier ankommen, können sie gleich weiter nach Müllersruh ziehen.«
James seufzte resignierend und winkte Solon und Kendaric heran. »Solon, könnte es sein, dass diese Goblins für Bär arbeiten?«
»Das glaube ich nicht«, sagte der Mönch. »Obwohl er sie vielleicht beeinflusst haben könnte. Mit Geschenken wie ein paar Waffen oder ein bisschen Magie, mit Informationen, wo es für sie ungefährlich wäre, zu plündern, mit ein paar Krügen Wein oder Bier, sodass sie am Ende glauben, es wäre ihre eigene geniale Idee gewesen, hier unten ihre Raubzüge durchzuführen.«
»Ist dieser Bär denn überall?«, fragte Kendaric.
»Nein, das glaube ich nicht«, entgegnete James. »Ich glaube nicht, dass Bär hinter dieser Sache hier steckt. Ich glaube, dass er für jemand anderen arbeitet.«
»Warum?«, wollte Jazhara wissen.
»Ich erzähle es Euch unterwegs.« Er blickte zum Himmel empor. »In ein paar Stunden wird die Morgendämmerung anbrechen, und dann sollten wir zum Aufbruch bereit sein.«
»Und wohin gehen wir?«, fragte Kendaric.
»Wir gehen Goblins jagen«, sagte James mit einem schiefen Lächeln.
Kendaric beklagte sich schon wieder. »Das ist ganz und gar nicht klug!«
James schüttelte den Kopf und beachtete den Gesellen nicht weiter. An Solon gewandt sagte er:
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