Feist, Raymond - Krondor-Saga 3
»Sie geben sich anscheinend nicht die geringste Mühe, ihre Spuren zu verbergen, oder?«
Der Kriegermönch führte sein Pferd am Zügel, während er den Spuren der Goblins folgte. »Nein. Ich nehme an, sie sind ein bisschen mitgenommen und wollen so schnell wie möglich zu ihren Heilern kommen.«
James deutete nach vorn. In einiger Entfernung begannen die Hügel, und hinter ihnen ragten die Gipfel des Calastius-Gebirges auf. »Glaubt Ihr, dass sie sich schon wieder oben zwischen den Felsen befinden?«
»Ziemlich sicher«, antwortete der Mönch. »Sie haben eine Stellung gesucht, die sich gut verteidigen lässt –
entweder eine Schlucht oder eine kleine Wiese; es wird höllisch schwer werden, sie da auszuheben.«
»Und wir vier sind also jetzt unterwegs, um sie ›auszuheben‹ ?«, wollte Kendaric wissen.
James verlor allmählich die Geduld. »Nein, wir werden sie nicht ausheben«, sagte er. »Wir werden auf die Pferde aufpassen und Euch zu ihnen schicken, damit Ihr sie vernichten könnt.«
Kendaric zügelte abrupt sein Pferd und blickte mit einem völlig verblüfften Gesichtsausdruck zu Boden.
»Mich?«
Jazhara konnte nicht mehr an sich halten und fing an zu lachen. Selbst der wortkarge Solon erlaubte sich ein leises Glucksen.
James schüttelte den Kopf. »Macht Euch keine Sorgen.
Ich habe einen Plan.«
Er wandte sich von Kendaric ab, der jetzt ein Stück zurückblieb. Jazhara lehnte sich zu James herüber. »Ihr habt also einen Plan?«, fragte sie flüsternd.
»Nein, aber wenn wir erst einmal dort sind und uns umgeschaut haben, werde ich einen haben. Und vielleicht hält Kendaric wenigstens bis dahin den Mund«, erwiderte James ebenso leise.
Jazhara lächelte und nickte. Sie ritten weiter.
Schließlich gab Solon ihnen das Zeichen, Halt zu machen.
»Ich bin, wie Ihr wisst, kein richtiger Fährtensucher, aber man musste schon blind sein, um diese Spuren zu übersehen.« Er stieg vom Pferd und deutete auf eine Stelle, wo sich – wie James sofort erkennen konnte – die Abdrücke schwerer Stiefel tief in die Erde gegraben hatten.
»Er ist anscheinend ziemlich in Eile«, sagte der Mönch.
»Wen meint Ihr?«, fragte Kendaric.
»Nun, es ist natürlich nur eine Vermutung«, sagte Solon,
»denn niemand von uns kann hellsehen, aber ich gehe davon aus, dass wir hier die Spuren jenes Bauern sehen, der gekommen ist, um sich sein kleines Mädchen zurückzuholen.«
»Eine ziemlich zutreffende Vermutung«, sagte James und deutete nach vorn. In einiger Entfernung sahen sie einen einsamen Wanderer einen Hügel erklimmen. Bisher hatte ein etwas näher gelegener Abhang ihn vor ihren Blicken verborgen, aber jetzt konnten sie sehen, wie er entschlossen den Pfad entlangging. »Wir sollten zusehen, dass wir ihn einholen, bevor er getötet wird.«
Solon stieg wieder in den Sattel, und sie trieben ihre Pferde zu einem leichten Galopp. Schnell hatten sie den Bauern eingeholt. Der Mann drehte sich um und musterte die Reiter misstrauisch. Er hielt eine Sense in Brusthöhe –
bereit, zuzuschlagen oder einen Angriff zu parieren.
»Haltet an«, sagte James, wobei er die geöffnete rechte Hand in die Höhe hielt. »Wir sind im Auftrag des Prinzen unterwegs.«
»Na endlich! Ich habe allmählich schon geglaubt, dass gar keine Hilfe mehr kommt. Wie geht es meiner Frau?«
»Ich fürchte, Ihr verwechselt uns mit jemand anderem«, sagte James.
»Was?! Wollt Ihr damit sagen, dass Ihr nicht von Becky aus Krondor geschickt worden seid? Ich dachte, Ihr wärt gekommen, um meine Tochter zu retten!«
»Ganz ruhig, Bauer Toth. Ihr befindet Euch jetzt in Ishaps Gunst. Wir wissen von Eurem Kind. Erzählt uns bitte genau, was Eurer Tochter geschehen ist«, sagte Solon.
Der Mann schien sich zu entspannen. »Es ist schon fast eine Woche her, da waren mein Freund Lane und ich auf der Jagd. Wir waren in den Vorbergen östlich von hier, als wir eines Nachts plötzlich Flöten und Trommeln gehört haben.
Wir sind hingegangen und wollten nachsehen, was das war, und in einer Schlucht, die gar nicht weit weg von hier liegt, sind wir auf eine Bande Goblins gestoßen. Sie hatten einen kleinen Jungen bei sich, und dann haben sie … oh, ihr Götter … dann haben sie das Kind entzweigeschnitten.
Sie haben den Jungen geopfert! Ich habe laut geschrien …
ich konnte nicht anders. Aber daraufhin haben sie uns entdeckt und sind auf uns losgegangen. Wir konnten ihnen entkommen, aber dann, vorgestern, haben sie meinen Hof überfallen. Lane
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