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Feldpostnummer unbekannt

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Titel: Feldpostnummer unbekannt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Berthold
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etwas, bevor sie draufgehen …«
    Der Oberstabsarzt nickte mit schwerem Kopf.
    »Und das gleiche exerziere ich mit meinen Leuten, auf anderer Basis. Wer kämpft, denkt nicht. Solange die Burschen schießen, sind sie abgelenkt. Und deshalb ist mein Haufen intakt. Sie sind ein Arzt, und ich bin bloß ein Pfuscher«, er lachte geringschätzig, »aber wir arbeiten mit der gleichen Tour …« Er nahm dem Arzt die Zigarette wieder. »Und jetzt geben Sie mir ein paar transportfähige Verwundete, die schleppe ich mit nach Pitomnik … und vielleicht … probieren kann man's ja …« Er zuckte die Schultern.
    Tollsdorf reichte dem Oberstabsarzt die Hand. Er hatte nicht nur die Bewunderung Dr. Münemanns gefunden, sondern ihn auch aus seiner Lethargie gerissen, und so begleitete er ihn über den Gang bis zur Flügeltüre.
    Der Oberstleutnant stutzte einen Moment, beugte sich über einen Verwundeten, erkannte seinen Oberleutnant Kleebach und fuhr hoch. »Den wollen Sie auch so liegen lassen?« fauchte er den Arzt an.
    »So hoffnungslos wie die anderen«, antwortete der Oberstabsarzt behutsam.
    »Wissen Sie, wer das ist? … das ist Oberleutnant Kleebach, einer der Besten!«
    »Die hier heißen alle Kleebach«, versetzte Dr. Münemann müde.
    »Das kann schon sein«, erwiderte der Oberstleutnant in seiner sarkastischen Art, »aber ihr Kommandeur heißt nicht Tollsdorf.« Er ging hinaus und befahl seinen draußen verbliebenen Leuten, den verwundeten Oberleutnant Thomas Kleebach zum Flugplatz zu schaffen …
    Sie standen und sie warteten, zu Hunderten, und sie starrten nach oben, nach Westen, woher die letzte Hoffnung kam und wohin die äußerste Verzweiflung trieb. So hielten sie aus am Flugplatz von Pitomnik, dem letzten E-Hafen, der noch in deutscher Hand, aber schon unter Beschuß der russischen Artillerie lag, der letzten Luftbrücke, die es nach Hause gab. Und sie wußten, daß die Piste durchlöchert, der Anflugweg zu weit, die Einflugschneise zu kurz und die Zahl der Transportflugzeuge zu klein war. Sie wußten weiter, daß es immer weniger Ju's gab, daß der Sprit immer knapper wurde und die Russen immer näher kamen und daß Tausende mitfliegen wollten, obwohl nicht einmal für Hunderte Platz war.
    Ganz vorne an der Rollbahn lagen auf Bahren die Schwerverwundeten. Sie hatten Pappschilder umhängen, schmutzige, braune Halskrausen, auf denen mit Rotstift Name, Einheit und Verwundung notiert waren. Wenn es nach dem Befehl ging, waren diese Männer die ersten, die in das Flugzeug kamen, und deshalb wurden sie von den anderen mit gehässigen Blicken gemustert, und deshalb geisterte jedesmal ein Ruck der Erleichterung durch die Reihe der Wartenden, wenn eine verhüllte Bahre statt nach vorne nach hinten geschleppt wurde: dann jeweils war ein Platz mehr in der Maschine frei geworden …
    Von den hilflos auf der Bahre Liegenden sorgfältig getrennt, lauerten in 200 bis 300 Metern Entfernung auf den Fall, daß noch ein Platz für sie frei werden würde, die leichter Verwundeten. Sie waren auf engsten Raum zusammengedrängt, wie in einem Pferch, und sie wurden von der Feldgendarmerie bewacht wie Verbrecher.
    Zwischen beiden Gruppen standen deutsche Soldaten, die die Ordnung aufrecht zu erhalten hatten, die improvisierte Flugplatzpolizei, darunter der Zug des Oberfähnrichs Achim Kleebach, dem man zwei Geschütze der Vierlingsflak als Verstärkung beigegeben hatte. Die Mündungen dieser Geschütze waren nicht auf den Feind gerichtet, sondern auf die eigenen Soldaten, auf die Verwundeten, die noch mit eigener Kraft gehen konnten, und die versuchten, den Flugplatz zu stürmen, sobald einem Transportflugzeug die Landung gelungen war.
    »Also, ist alles klar?« sagte Unteroffizier Hanselmann zu den anderen beiden, die er in seinen Plan eingeweiht hatte, »und sei nicht so zimperlich, Oberfähnrich, es kommt nur darauf an, daß wir nicht zu früh und nicht zu spät einsteigen.«
    Achim Kleebach nickte. Er war wie in Trance. Genau gesehen wußte er gar nicht, was abgesprochen war, aber er überließ sich willenlos dem Bullen, der bisher immer Recht behalten hatte.
    »Und wenn das klappt«, fragte ein Stabsgefreiter, »und wir dann hinten landen … was dann?«
    »Deine Sorgen möcht' ich haben«, schnaubte Unteroffizier Hanselmann, »erst mal 'raus; alles andere gibt sich, bei dem Durcheinander kannst du zwischen einer Million Ausreden wählen.«
    Der Plan Hanselmanns war so einfach wie ungeheuerlich: Als Sicherungskommando

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