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Felicity Gallant und Das Auge des Sturms (German Edition)

Felicity Gallant und Das Auge des Sturms (German Edition)

Titel: Felicity Gallant und Das Auge des Sturms (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melanie Welsh
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hatten, war er zu nichts mehr zu gebrauchen. Dabei hatte sie doch, wie ihre Schwiegermutter immer wieder betonte, gerade jetzt Schonung und Entlastung dringend nötig. Das war ihm doch bestimmt auch bewusst, oder? Sie konnte nur vermuten, dass das Buch, an dem er gerade arbeitete, ihn ganz besonders stark in Anspruch nahm.
    Mrs Gallant fragte sich, wie lange ihr Gast wohl noch bleiben wollte. Sie wusste nicht, woran es lag, aber irgendwie sprachen sie nie über das Thema. Und alle ihre Versuche, ihrem Mann etwas darüber zu entlocken, waren fehlgeschlagen.
    Als ob ihre Gedanken sie herbeigerufen hätten, erschien die alte Dame lautlos wie immer. Mrs Gallant zuckte unwillkürlich zusammen.
    »In deinem Zustand hat man oft etwas angegriffene Nerven. Du musst dich schonen, meine Liebe«, bemerkte die Schwiegermutter. Sie nahm Mrs Gallant den Lappen und das Messer, das sie gerade in Arbeit hatte, aus der Hand und begann eifrig zu polieren.
    Mrs Gallant unterdrückte einen Anflug von Ärger. Sie fand solche Beschäftigungen eher beruhigend.
    »Für so etwas wird keine Zeit mehr sein, wenn das Baby auf der Welt ist«, meinte die Schwiegermutter. »Hach, das muss wunderbar für dich sein – diese Vorfreude!«
    »Oh … äh, ja, sicher …«
    »Ich kann es auch kaum erwarten«, sagte die alte Dame versonnen. »Wirklich, ich vergehe fast vor Ungeduld. Es ist so schade, dass Felicity nicht imstande ist, deine Freude mitzuempfinden.« Sie seufzte traurig. »Vermutlich liegt es nun einmal leider Gottes nicht in ihrer Natur.«
    Mrs Gallant blickte unangenehm berührt auf. »Weißt du, Felicity war immer schon ziemlich zurückhaltend«, erklärte sie. »Wenn das Baby erst einmal da ist, wird sie sicher schnell auftauen.«
    »Ja, sicher«, meinte die Großmutter tröstend.
    Jasper Cutgrass durfte auf gar keinen Fall stolpern oder sich auch nur heftig bewegen. Er bog von der Hauptstraße des Hafenviertels ab und suchte sich sehr behutsam seinen Weg zwischen den Pfützen auf dem Gelände von Lapp & Muster, immer darauf bedacht, das, was er in seinem Segeltuchköfferchen bei sich trug, keinen allzu starken Erschütterungen auszusetzen.
    Vor ihm ragte eine Reihe riesiger, aus Holz gebauter Werfthallen auf. Er ging auf eine von ihnen zu, öffnete die kleine Tür und betrat einen Raum – so groß und hoch wie ein Kirchenschiff und durchflutet von Licht, in dem Holzstaub tanzte. Eine kurze Weile stand er da und atmete den betäubenden Duft von Hanf, Fichtenholz und Teer ein, den Materialien, die man im Schiffsbau verwendete.
    Aufgebockt lagen da zig Meter lange Rundhölzer, die zu Masten und Rahen verarbeitet werden sollten. Jasper ging an gewaltigen Stapeln von Taurollen vorbei und an nebeneinander aufgereihten Säcken, die mit beschrifteten Schildchen versehen waren. Dann schritt er durch einen der schmalen Gänge zwischen den Werkbänken. Er sprach einen Arbeiter an, dann noch einen, und dieser verwies ihn schließlich an die Segelmacherei, die sich im obersten Stockwerk befand.
    Dort traf er einen stämmigen Mann mit grau melierten Haaren an, der gerade ein großes Stück Leinwand auf dem Boden ausbreitete, um es zu schneiden. Sein ehrliches, kluges Gesicht wirkte konzentriert, seine Stirn war gerunzelt.
    »Dan Twogood?«, fragte Jasper. »Mr Daniel Twogood?«
    Der Mann schaute nicht auf, aber er unterbrach seine Arbeit. »Einer von der Küstenwache«, sagte er.
    Es klang nicht besonders herzlich, aber Jasper war Schlimmeres gewohnt, und er nahm es als eine knappe Feststellung, die immerhin der Wahrheit entsprach.
    »Mr Twogood«, sagte Jasper, »ich bin hier, um etwas Näheres über ein Gerät zu erfahren, das von jemandem aus Ihrer Familie erfunden wurde.«
    Daniel Twogood blickte auf Jaspers Segeltuchköfferchen. Ihm fiel auf, dass die Haut des Mannes für die Jahreszeit ungewöhnlich stark gebräunt war. »Die Twogoods haben eine Menge Sachen erfunden«, sagte er mürrisch.
    »O ja«, stimmte Jasper zu, »ich habe bei meinen Recherchen in der Bibliothek Belege dafür gefunden, dass sehr viele nützliche Dinge ihre Existenz dem genialen Erfindergeist der Twogoods verdanken – aber dieses Gerät hier ist etwas ganz Besonderes.«
    Er öffnete die Tasche und hob eine Glaskugel heraus, in der sich, voneinander getrennt wie Wasser und Öl, zwei Flüssigkeiten befanden. Die Kugel war in einem Kardangelenk aufgehängt wie ein Schiffskompass. Es sorgte dafür, dass die Polachse der Kugel immer unverändert senkrecht blieb, auch

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