Felicity Gallant und Das Auge des Sturms (German Edition)
Schuh steckte ein Kärtchen.
»Mit lieben Grüßen, Alice«, stand darauf. Felicity lächelte. Wo immer ihre alte Freundin sich auch befinden mochte, sie hatte sie nicht vergessen.
»Toll!«, rief Poppy. »Probier sie mal an.«
Felicity stellte die Schuhe behutsam auf den Boden und schlüpfte hinein. Sie passten wie angegossen. »Perfekt.«
»Schau mal, was noch alles da ist.« Poppy kicherte vor Aufregung und freudiger Erwartung.
Felicity packte ein prächtiges Festtagskleid aus roter Seide aus und hielt es vor ihren Körper. Sie konnte sehen, dass es genau passte.
»Großartig. Komm, zieh es an.« Poppy half ihrer Schwester fachkundig beim Anziehen und führte sie dann ins Elternschlafzimmer zu dem großen Spiegel ihrer Mutter.
Felicity biss sich auf die Lippen, während Poppy um sie herumwuselte und Fältchen glatt strich und zurechtzupfte. Dann grinste sie breit. Das Kleid war ein wirkliches Wunder und es stand ihr ausgezeichnet.
»Du siehst toll aus.« Poppy klatschte in die Hände und gab ihr einen Kuss.
Auf Felicitys Gesicht erschien ein ängstlicher Ausdruck. »Bestimmt ist auch für dich was dabei …«
»Mach dir um mich keine Sorgen«, rief Poppy und lief zurück in Felicitys Zimmer. Unter der nächsten Lage Seidenpapier kam ein Mantel mit Samtkragen zum Vorschein, dann ein cremefarbener, flauschig weicher Schal und dazu passende Handschuhe. »Jetzt probier das mal an.«
Felicity war ganz gerührt, weil ihre Schwester sich so vollkommen neidlos mit ihr freute. Sie streckte die Hand aus und nahm wieder einen Bogen Seidenpapier weg. Ihr stockte der Atem, als sie sah, was darunter lag. Das war das Beste überhaupt – eine marineblaue Hose und eine Wetterjacke aus Wachstuch. »Zum Segeln …«, flüsterte sie. »Oh, Alice, woher hast du das gewusst?« Sie blickte etwas verlegen auf.
»Das ist schon in Ordnung«, sagte Poppy freundlich. »Ich weiß, warum sie es getan hat. Weil du immer ein bisschen zu kurz kommst, wenn wir mit Mama einkaufen gehen – zum Beispiel letztes Mal, als sie diese grässlichen Deckschuhe für dich gekauft hat.«
»Die waren wirklich potthässlich.« Jetzt konnte Felicity darüber lächeln. Sie hielt ein Kleid mit einem hübschen Blumenmuster hoch. Ihre Schwester hatte noch einen Schal und Handschuhe entdeckt, beides in Rosa.
»Die sind für dich«, sagte Felicity. »Die Farbe steht dir viel besser als mir.«
»Nein, das kann ich nicht annehmen.« Poppy legte die Sachen wieder hin.
Felicity drückte sie ihr in die Hand. »Doch, ich möchte, dass du sie bekommst.«
Poppy konnte nicht länger widerstehen. »Na ja, sie sind wirklich sehr hübsch.« Sie sprang vom Bett und umarmte Felicity, dann lief sie fort, um das Geschenk ihrer Mutter zu zeigen.
Ganz unten im Koffer lag ein zusammengefaltetes Blatt Papier. Felicity nahm es und las:
Liebe Felicity,
es tut mir so leid, dass meine Abwesenheit sich so lange hinzieht. Ich vermisse unsere wöchentlichen Plaudereien schmerzlich, aber ich bin sicher, dass Henry sich aufmerksam um Dich kümmert. Das Schöne am Reisen ist, dass man an jeder Menge Boutiquen vorbeikommt. Ich hoffe, Dir gefallen die Sachen, die ich für Dich ausgesucht habe. Es sind alles Stücke, von denen ich dachte, sie müssten Dir ganz besonders gut stehen. Du bist immer in meinen Gedanken, und ich hoffe, dass Du auch hin und wieder an mich denkst.
Mit lieben Grüßen
Deine Freundin Alice
Felicity lächelte. Liebe Alice. Sie fehlte ihr so sehr.
»Wenn du glaubst, du hast es jetzt leichter in der Schule, weil du schicker angezogen bist, irrst du dich«, sagte die Großmutter, die sich lautlos angeschlichen hatte. »Deine Mitschülerinnen haben was gegen dich , nicht gegen deine Kleider.«
Sie stapfte zum Fenster und rempelte Felicity dabei so hart an, dass diese umfiel. Ein boshaftes Lächeln huschte über ihr Gesicht. »Kannst du nicht besser aufpassen?«, sagte sie. »Wie kann man nur so tölpelhaft sein.«
Mrs Gallant saß am Esstisch und putzte das gute Silberbesteck, das nur bei besonderen Gelegenheiten benutzt wurde. Ein Stück nach dem anderen wurde auf Hochglanz poliert und anschließend wieder an seinen Platz in den mit Samt ausgeschlagenen Besteckkasten gelegt. Sie seufzte. Sie hatte ganz vergessen, wie beschwerlich so eine Schwangerschaft war. Und wie unelegant.
Ihr Mann war ihr in letzter Zeit auch keine große Hilfe gewesen. Sie runzelte gereizt die Stirn bei dem Gedanken. Seit dem Tag, als sie den Kindern die Neuigkeit mitgeteilt
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