Felicity Gallant und Das Auge des Sturms (German Edition)
Großmutter sagen, als sie wegging. »Jammerschade, dass sie keine besseren Freunde findet.«
Überall standen heiter plaudernde Leute herum, Kinder flitzten von Gruppe zu Gruppe, alle schienen sich wohlzufühlen. Vor einem der Stände traf sie Henry.
»Wo sind deine Leute?«, fragte er und lutschte an seinem Pfefferminzbonbon.
»Da vorn, neben der Losbude. Meine Großmutter hat mich losgeschickt, um für Poppy etwas zu holen.«
Henry verzog mitfühlend das Gesicht.
»Na ja, mir ist das gar nicht so unrecht«, sagte sie. »Je weniger ich in ihrer Gesellschaft sein muss, desto besser.«
»Das ist genau die Sorte von Besuch, die man am liebsten hat. Ist denn schon klar, wann sie endlich wieder abreist?«
»Ich habe keine Ahnung. Und ich traue mich auch nicht zu fragen. Sie ist mir richtig unheimlich. Manchmal hat man fast den Eindruck, sie könnte an zwei Orten zugleich sein.« Felicity sah, wie Henry die Stirn runzelte. »Aber natürlich ist sie eine ganz gewöhnliche alte Frau und alles geht mit rechten Dingen zu«, fügte sie ironisch hinzu.
Henry wechselte das Thema. »Poppy spielt eine Hauptrolle im Musical, oder?«, fragte er.
Felicity nickte. »Sie fiebert schon seit Monaten ihrem großen Auftritt entgegen. Da fällt mir ein, ich muss jetzt wirklich gehen und ihr Buch holen.«
In Poppys Klassenzimmer war es angenehm still. Felicity nahm das vergessene Buch aus der Schublade von Poppys Pult. Sie wollte gerade wieder gehen, als sie plötzlich ein Geräusch hörte. Sie hielt erschrocken den Atem an und lauschte. Kein Zweifel, irgendwo im Raum schniefte jemand ganz leise. Sie sah sich genauer um und entdeckte Martha Platt zusammengekauert unter einem Pult. Ihr Gesicht war rot und aufgedunsen, über ihre Wangen liefen Tränen.
»Martha«, sagte Felicity sanft.
Die Kleine kroch schniefend aus ihrem Versteck hervor. Ihre Frisur war weit weniger adrett als sonst.
»Was ist denn los?«, fragte Felicity.
»Ich dachte, ich gehe hin, weil es doch immerhin ein Fest ist«, sagte Martha bedrückt, »und vielleicht ganz nett, aber« – ihre Stimme versagte kurz – »wenn niemand mit einem redet, hilft es einem nichts, dass man unter Leuten ist, man fühlt sich trotzdem einsam.«
Felicity brachte keinen Ton heraus, so sehr schämte sie sich: Diesem Mädchen erging es ganz ähnlich wie ihr selbst und sie hatte es einfach ignoriert.
Und dann brach es aus Martha heraus. »Ich weiß schon, dass es nicht gut ankommt, wie ich mich benehme«, schluchzte sie. Sie fuhr sich mit dem Ärmel übers Gesicht. »Aber ich kann nicht anders … ich glaube, das sind die Nerven oder so. In Wirklichkeit bin ich gar nicht so eingebildet, wie man meint, wenn man mich nicht kennt.«
Felicity lächelte. »Ich habe auch nicht viel Erfahrung mit Festen«, sagte sie freundlich, »aber Henry meint, sie sind meistens nicht so lustig, wie man erwartet hat – na ja, es ist eben nur der halbe Spaß, wenn der Spaß geplant ist.« Sie kramte ein frisches Taschentuch hervor und hielt es Martha hin. »Entschuldigung, dass wir dir immer aus dem Weg gegangen sind; das war nicht schön von uns.«
»Irgendwie kann ich euch ja verstehen.« Martha schniefte. »Ich mach es den Leuten wirklich nicht leicht, mich zu mögen.«
»Am besten gehen wir jetzt erst mal aufs Klo und du wäschst dir das Gesicht mit kaltem Wasser, was meinst du?«, schlug Felicity vor.
Es dauerte eine Weile, bis Martha wieder halbwegs vorzeigbar aussah. Als sie in die Aula kamen, war das Musical auf der provisorischen Bühne bereits in vollem Gange. Felicity entdeckte ihre Mutter und die Großmutter im Publikum, aber es waren keine Plätze in ihrer Nähe mehr frei, darum blieb sie zusammen mit Martha hinter den Stuhlreihen stehen, von wo aus man das Geschehen auf der Bühne gut verfolgen konnte.
Irgendwann ließ Felicitys Aufmerksamkeit ein bisschen nach und sie schaute umher. Dabei fiel ihr die Familie Blake auf, die ein paar Reihen weiter vorn beieinandersaß. Miranda wirkte geradezu winzig neben George und Oscar, beide mit roten Backen, glasigen Augen und strubbeligen Haarschöpfen. Ihr kleiner blonder Bruder saß getrennt von seinen Geschwistern auf der anderen Seite der Eltern. Wie selbstbewusst sie alle aussehen, dachte Felicity. Als ob ihnen die Welt gehörte.
Miranda Blake drehte sich um, sie sah Felicity und tuschelte mit ihrer Mutter, die hochmütig lächelte. »Kein Wunder«, sagte Miranda in weithin vernehmbarem Flüsterton, »wenn ich mit ihr verwandt wäre,
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